Kämpft für die Umwelt und Steuergerechtigkeit: Sven Giegold. Foto: dpa/Francois Walschaerts

Der Realo Habeck beruft vier verbeamtete Staatssekretäre, darunter ist der streitbare Sven Giegold.

Stuttgart - Der künftige Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat mit der Benennung von gleich vier beamteten Staatssekretären aus dem grünen Umfeld und dem Zuschnitt seines Hauses angedeutet, wo es inhaltlich hingehen soll.

Bislang trug das Haus den Titel Wirtschaft und Energie. Energie fällt künftig weg – zumindest im Ressortnamen. Klima kommt stattdessen dazu. Bislang haben Forschungsprojekte etwa für die Dekarbonisierung von Verbrennungsmotoren immer wieder Zuschüsse aus dem Wirtschaftsministerium bekommen. Wissenschaftler fragen sich bereits, ob wohl die Mittel auch unter der neuen Hausleitung fließen werden.

Superministerium mit vier Staatssekretären

Die vier beamteten Staatssekretäre von Habeck sind die ehemalige Bundestagsabgeordnete Anja Hajduck, die das Haus leiten soll, der bisherige Chef der deutschen Grünen im Europaparlament, Sven Giegold, sowie Patrick Graichen, bisher Chef der Denkfabrik Agora Energiewende, und Udo Philipp, der mit dem Grünen Gerhard Schick die Bürgerbewegung Finanzwende gegründet hat und zuletzt Finanzstaatssekretär in Kiel war.

Die Berufung des Agora-Chefs Graichen kommt überraschend. Bei Agora handelt es sich um eine Organisation, die den Grünen in Oppositionszeiten häufig mit Analysen und Konzepten inhaltliche Unterstützung gegeben hat. Während ein Wechsel etwa aus dem Lobbyverband der Automobilindustrie ins Wirtschaftsministerium politisch undenkbar war, kennt Habeck bei einer Lobbyorganisation aus dem ökologischen Umfeld keine derartigen Berührungsängste.

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Sven Giegold ist Ökonom. Mit großem Sachverstand hat sich der 52-Jährige, der in Niedersachsen aufgewachsen ist, auf EU-Ebene einen Namen gemacht. Im Europaparlament hat er etwa dafür gekämpft, dass meist legale Praktiken der Steuergestaltung und -minimierung von weltweit agierenden Großkonzernen wie Apple, Ikea oder BASF öffentlich gebrandmarkt wurden.

Gegen Freihandelsverträge

Giegold, der im Jahr 2000 das globalisierungskritische Netzwerk Attac mitgegründet hat und seit 2009 dem Europa-Parlament angehörte, lehnt Freihandelsverträge vehement ab. In Brüssel hat er sich nicht nur auf sein Fachgebiet beschränkt, auf dem er sich zweifellos sehr gut auskennt. Der bekennende Christ hat sich vielmehr auch mit missionarischem Eifer vielfältigen Themen gewidmet wie etwa Kreidezähnen bei Kindern, die durch Chemikalien ausgelöst werden können, Jagd mit bleihaltigem Schrot oder Glyphosat-Dünger in der Landwirtschaft.

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Giegold ist Naturschützer und Vogelfreund, der in den 80er Jahren mit angewandtem Umweltschutz beim BUND erwachsen geworden ist. Auffällig ist, dass Giegold persönlich über enge Kontakte zu Organisationen wie Campact und Umwelthilfe verfügt und als Abgeordneter deren Kampagnen etwa gegen das Handelsabkommen mit Kanada (Ceta) und für die Luftreinhaltung befeuert hat.

Beobachter gehen davon aus, dass die Berufung Giegolds, der dem linken Parteiflügel der Grünen zugerechnet wird, auch etwas mit dem Machtkampf um die Ministerien in der künftigen Ampelregierung zu tun hat. Der dem linken Parteiflügel zugehörige Anton Hofreiter kam bekanntlich nicht zum Zuge, dafür setzte sich der Realo Cem Özdemir aus Baden-Württemberg durch. Ist die Personalie Giegold Teil eines Paketes, das Realos und Fundis geschnürt haben – und ein Preis dafür, dass Özdemir Landwirtschaftsminister werden soll?

Es dürfte spannend werden zu beobachten, wie der Realo Habeck und der Fundi Giegold in der Sache zusammenfinden.