CDU-Bundesvize Jung sieht den Südwesten durch die aktuelle Planung der Wasserstoff-Netze abgehängt. Foto: Michael Kappeler/dpa

Im Norden soll es ein dichtes Transportnetz geben, Richtung Süden dünnt das Angebot erheblich aus. Der Südwesten und Sachsen sind die Verlierer.

Es ist ein Zentralprojekt für die Umstellung der Wirtschaft auf eine nachhaltige Produktionsweise – das Wasserstoff-Kernnetz. Erst wenn alle Industrieregionen in Deutschland mit Wasserstoff versorgt werden können, kann das klimaneutrale Wirtschaften wirklich an Fahrt gewinnen. Es geht also bei diesem Thema um nichts weniger als die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.

Auf den ersten Blick gibt es auch tatsächlich riesige Fortschritte. Bis Mitte September muss die Bundesnetzagentur die inzwischen vorliegenden Anträge der Netzbetreiber zum Bau der Trassen genehmigen. Das ist gut. Der zweite Blick zeigt aber auch, dass nicht alles rund läuft: Es gibt weiße Fläche auf der Landkarte. Besonders betroffen ist der Südwesten. Und eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung zeigt, dass es längst nicht für alle genehmigungsfähigen Trassen auch durchführende Unternehmen gibt, weil die Finanzierung kompliziert ist.

Was ist das Wasserstoff-Kernnetz?

Mit dem vom Bund ausgewiesenen Wasserstoff-Kernnetz sollen alle großen Verbrauchs- und Erzeugungsregionen für Wasserstoff in Deutschland erreicht werden. Es sollen dann zentrale Standorte wie Industriezentren, Speicher und Kraftwerke angebunden werden. Die ersten Leitungen sollen schon 2025 in Betrieb gehen. Bis 2032 sollen schrittweise rund 9700 Kilometer Wasserstoffleitungen gebaut und in Betrieb sein. Dazu werden zum Teil bestehende Erdgasleitungen umgebaut. Das macht mehr als die Hälfte der Strecke aus. Es sollen aber auch neue Leitungen gelegt werden.

Wie läuft das Verfahren?

Nachdem der Bund die Streckenplanung vorgestellt hatte, haben die großen Fernleitungs-Netzbetreiber einen gemeinsamen Antrag zum Bau gestellt, der im Juli veröffentlicht wurde. Das ist nämlich die Aufgabenteilung: die Rahmenplanung kommt vom Bund, aber Bau und Betrieb geschehen privat. Wegen der hohen Kosten gerade in der Anlaufphase subventioniert der Staat zunächst Nutzungsentgelte. Die Subventionen müssen aber später wieder zurückfließen. Bis Mitte September muss nun die Bundesnetzagentur den Netzplan genehmigen.

Zwei Auffälligkeiten springen sofort ins Auge

Wo liegen die Probleme?

Die Kernfrage ist: Erreicht das Netz tatsächlich alle Regionen und industriellen Zentren? Das ist keineswegs der Fall. Zwei Auffälligkeiten springen sofort ins Auge. So fehlt erstaunlicherweise die Anbindung von Chemnitz. Das ist sehr erstaunlich, denn in Chemnitz ist eines von vier Wasserstoff-Clustern – also Kompetenzzentren – in Deutschland angesiedelt. „Das darf nicht so bleiben“, sagt der CDU-Umweltexperte Andreas Jung zum Übergehen der Stadt. „Chemnitz als wichtige Wirtschaftsregion muss an das Kernnetz angeschlossen werden“, sagte der Bundestagsabgeordnete unserer Zeitung. „Wir fordern eine eindeutige Zusage von Robert Habeck noch vor den Wahlen. Sonst wird im September ein Knopf dran gemacht, das Verfahren abgeschlossen und Chemnitz abgehängt.“ Die zweite Auffälligkeit: Während der Norden der Republik ein vergleichsweise dichtes Netz bekommen soll, dünnen sich die Leitungen Richtung Süden merklich aus. Baden-Württemberg fühlt sich besonders schlecht behandelt.

„Krasse Schieflage zu Lasten Baden-Württembergs“

Wie ist die Lage im Südwesten?

Andreas Jung spricht von einer „krassen Schieflage zu Lasten Baden-Württembergs“. Er rechnet vor: Das Land stehe für 15 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung und habe 10 Prozent der Fläche der Republik. Dagegen stünden aber nur „etwas über fünf Prozent Wasserstoff-Leitungen für Baden-Württemberg“. Das sei der „blanke Hohn“, findet Jung. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende sieht ganze Regionen von der Planung ignoriert. Tatsächlich gibt es Gebiete im Südwesten, die von den Leitungen nichts haben werden: vor allem der Bodensee-Raum, der Schwarzwald, Oberrhein und Oberschwaben. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage Jungs zeigt zudem, dass selbst die Ziele, die im Netzplan vorgegeben sind, kaum einzuhalten sein werden. Für rund die Hälfte der in Baden-Württemberg eigentlich ausgewiesenen Trassen, gibt es keinen Antrag der Fernnetzbetreiber. Besonders betroffen sind die Neubautrassen, wo 80 Prozent der Umsetzung völlig offen ist, weil keine Unternehmen bereit stehen. Feste Umsetzungszusagen gibt es nach Auskunft der Bundesregierung deutschlandweit erst für 6878 Kilometer des rund 9700 Kilometer langen Netzes. Hat der Bund zu optimistisch geplant? Jedenfalls schätzen manche Betreiber die vom Bund festgesetzten Finanzierungsbedingungen für unzureichend ein.

Wie geht es weiter?

Die Bundesnetzagentur soll bis Mitte September die vorliegenden Anträge genehmigen. Jung findet, dass sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dem die Behörde untersteht, einschalten muss. Er müsse jetzt „persönlich ran und die krasse Schieflage zu Lasten Baden-Württembergs abwenden“. Eine gerechte Wasserstoff-Verteilung sei „Habecks Verantwortung als Wirtschaftsminister“. Die Bundesnetzagentur führe das Verfahren „in seinem Auftrag, nach seinen Vorgaben, mit seiner Federführung“.