Landwirtschaft neben Solarpark: Sehen die Filder bald so aus? Foto: imago images/Arnulf Hettrich

Beim Thema Klimaneutralität blicken in Deutschland alle vor allem auf die Jahre 2045 und 2050. Kommunen setzen sich mitunter allerdings viel ehrgeizigere Ziele. Wie handhaben es Städte und Gemeinden rund um Stuttgart?

Filder/Schönbuch - Ziel der Bundesregierung ist es, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral ist. Wegweisend war 2021 das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Zielmarke 2050 sei nicht ambitioniert genug. Es schwirren weit mehr, teils davon abweichende Jahreszahlen durch die Debatte. So will die EU spätestens 2050 klimaneutral werden, das Land Baden-Württemberg 2040, die Stadt Tübingen gar schon 2030. Und Stuttgart korrigiert sein Zieljahr 2050 diesen Sommer womöglich deutlich nach unten. Worauf kommt es beim Weg hin zur Klimaneutralität an, und welche Ziele stecken sich die Kommunen in der Filderregion?

Klimaneutralität

Klimaneutralität meint einen Null-CO2-Ausstoß. Laut dem Helmholtz-Zentrum wird es entscheidend sein, was die Kommunen tun. Denn auf kommunaler Ebene würden die Weichen für die gesellschaftliche Transformation gestellt. Kommunen müssten dabei Klimaschutz, Klima-Anpassung und eine nachhaltige Entwicklung konsequent zusammendenken. In einem Papier listet das Helmholtz-Zentrum zwölf Schritte auf, die eine Kommune auf dem Weg hin zur Klimaneutralität beachten sollte. Dazu gehört die Bewusstseinsbildung, wie beispielsweise, indem ein Klimanotstand ausgerufen werde, dazu gehören ein Konzept, die Finanzierung, eine Auswahl und Priorisierung von Maßnahmen, die Kommunikation, dazu gehören aber auch das Thema Anpassung an die Folgen des Klimawandels sowie Kompensationen, ohne die die Null-Emission laut Helmholtz-Zentrum kaum erreichbar sein dürfte.

Stuttgart

Die Landeshauptstadt Stuttgart hat vor Kurzem erklärt, ihre Klimaziele deutlich nach oben zu schrauben. So könnte der Gemeinderat entscheiden, dass die Stadt nicht erst 2050 klimaneutral werden soll, sondern bereits 2035. Bisher ist dies eine Absichtserklärung, bis zum Sommer soll ein Gutachten der Beraterfirma McKinsey samt Maßnahmenpaket folgen, um aufzuzeigen, wie die Stadt dieses ambitionierte Ziel erreichen kann. McKinsey verfügt über einen Instrumentenkasten mit rund 650 Maßnahmen, die Kommunen dabei unterstützen sollen, gesteckte Klimaziele auch zu erreichen. Wie diese Maßnahmen von der Bevölkerung bewertet werden, soll mit dem neuen Bürgerrat abgeglichen werden, der im Juni oder Juli erstmals zusammenkommen wird.

Filderstadt

Bislang gab es in Filderstadt keine Jahreszahl, auf die sich die Bemühungen um Klimaneutralität richten. Aufgrund der Anfrage unserer Zeitung hat sich der Oberbürgermeister Christoph Traub mit Mitarbeitern in der Verwaltung besprochen und will dem Gemeinderat zeitnah eine Jahreszahl vorschlagen. Das Ziel des Landes, 2040, „erscheint zu weit weg“, sagt der OB. 2030 wiederum sei zu ambitioniert, daher schlage die Verwaltung 2032 vor, dies werde nun in die kommunalpolitische Debatte eingespeist. Vor Kurzem ist übrigens ins Spiel gebracht worden, ob Filderstadt den Klimanotstand ausrufen soll. Die Entscheidung steht noch aus.

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Sich nur auf eine klimaneutrale Verwaltung und städtische Liegenschaften zu konzentrieren, „greift meiner Meinung nach zu kurz“, sagt Traub. „Wir haben die Gesamtkommune im Blick.“ Heißt: auch Wirtschaft und Privathaushalte. „Wenn wir das alles ernst nehmen, brauchen wir die Menschen dazu.“ Mit welchen Maßnahmen das Ziel 2032 erreicht werden könnte, soll zeitnah diskutiert werden. Klar sei, dass die Verwaltung einerseits externe Beratung für manche Themen brauche, aber auch interne Verstärkung mit dem nötigen Know-how.

Leinfelden-Echterdingen

Eine Zielmarke, wann Leinfelden-Echterdingen klimaneutral sein soll, gibt es nicht. Man orientiere sich an den Plänen des Landes, also an 2040, sagt der Baubürgermeister Benjamin Diem. Dass es ein Ziel braucht, stellt er nicht in Abrede. „Zaudern können wir nicht, wie müssen da ran. Es geht ja darum, die Erderwärmung aufzuhalten.“ Allerdings hegt er Zweifel an der Belastbarkeit solcher Zahlen. „Ich kann nicht einschätzen, wie seriös das ist.“ Um klimaneutral zu werden, sei man auf die Kooperation anderer Akteure angewiesen. Mit Blick auf Gewerbetreibende macht sich Diem weniger Sorgen. „Die Wirtschaft ist weiter, als man denkt.“ Allerdings gelte es, die Bürger zu überzeugen. Hier könnten Kommunen aktuell vor allem Anreize schaffen, aber nichts verlangen.

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Leinfelden-Echterdingen erarbeitet derzeit unter der Federführung von Robin Hecker, dem noch recht neuen Klimaschutzmanager, ein Klimaschutzkonzept. Bis 2023 sollen Maßnahme skizziert werden, die vor allem drei große Bereiche tangieren: Mobilität, Stadtentwicklung und kommunale Wärmeplanung, erklärt Hecker. Grundsätzlich sei die CO2-Bilanzierung kompliziert. Wie beispielsweise solle verrechnet werden, dass der Flughafen auf dem Boden von Leinfelden-Echterdingen liegt, oder dass ein Echterdinger auf Internet-Plattformen bestellt?

Waldenbuch

Waldenbuch hat bisher kein Zieljahr für die Klimaneutralität definiert, sagt die Sprecherin Sophie Ammer. „Im Rahmen von gestellten Haushaltsanträgen zum Haushalt 2021 wurde von der Verwaltung deutlich darauf hingewiesen, dass vor einer Aufarbeitung des Themas Klimaschutz und Nachhaltigkeit die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssen.“ Im Haushaltsplanentwurf für 2022 und 2023 sei deshalb eine zusätzliche Stelle und deren Finanzierung aufgenommen worden. „Sobald diese Stelle besetzt ist, können die Themenbereiche Klimaschutz und Nachhaltigkeit bearbeitet werden“, so Ammer. „Bedingt durch diese Umstände wurde bislang kein Zielzeitpunkt definiert.“

Steinenbronn

Steinenbronn hat auch kein Jahr definiert, wie der Bürgermeister Ronny Habakuk sagt. Die Frage, wie man diesbezüglich vorankommen kann, sei „ein Schwerpunkt für dieses Jahr“. Aktuell sei unklar, was eine kleine Kommune wie Steinenbronn aus eigener Kraft erreichen könne. Habakuk setzt auf die Kooperation mit anderen Kommunen, aber auch mit dem Landkreis Böblingen. Derzeit verfüge Steinenbronn in der Verwaltung nicht über das technische Know-how, sagt der Bürgermeister. Ginge es nach ihm, würde die Gemeinde einen Klimaschutzmanager anheuern, doch dies sei eine ganze Stelle – und die finanzielle Lage angespannt. Ihm sei dabei aber bewusst, dass man bei dem Thema „den Anschluss nicht verpassen darf“.