Planspiele wie an der Hochschule für Technik sollen ein Verständnis fürs Thema schärfen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Studierende aus Stuttgart schlüpfen in die Rolle von Delegierten aus aller Welt. Ihr Klima-Abkommen begrenzt die Erderhitzung auf 2,8 Grad, und sie sind doppelt so spendabel wie die echten Verhandler in Baku.

„Wir sehen nicht ein, Maßnahmen für etwas einzuführen, das es gar nicht gibt!“ Die nächsten Sätze des Delegationssprechers gehen in Johlen, Pfiffen und Buhrufen unter. Aktivisten stürmen mit Bannern und Plakaten auf die Bühne der UN-Klimakonferenz und überreichen den Vertretern der USA eine Krone für den Titel als „Größte Umweltsau“. „Frechheit!“, wettert Elon Musk vom Podium gegen die Aktivisten, ein wilder Schlagabtausch entbrennt, und erst das Eingreifen von Generalsekretär António Guterres bringt langsam wieder Ruhe in den Saal.

So geschehen Anfang der Woche in der Aula der Hochschule für Technik Stuttgart. Elon Musk heißt eigentlich Gabriel Tazman, ist 23 Jahre alt und studiert Mathematik und Künstliche Intelligenz. Genau wie Sajid Mohammad (39), der in der Funktion als klimawandelleugnender US-Sprecher seine persönliche Haltung zum Thema überwinden muss.

Klimaaktivisten und USA treten besonders laut auf

Zusammen mit rund 170 ihrer Kommilitonen schlüpften die beiden diese Woche in die Rolle von UN-Delegierten aus aller Welt. Im Rahmen eines Planspiels galt es, klimapolitische Herausforderungen und Chancen sechs verschiedener Weltregionen herauszuarbeiten und vor einer simulierten Vollversammlung zu präsentieren.

Als siebte Gruppe mischen Studierende in der Rolle von Klimaaktivisten das Geschehen auf. Unter großem Jubel krönen sie nach den USA auch die Repräsentantinnen Chinas zu einem der weltgrößten Klimasünder. Die Stimmung haben die Aktivisten auf ihrer Seite, die Verhandlungsergebnisse beeinflussen sie jedoch kaum.

Die Rektorin der Hochschule, Katja Rade, hat beim Planspiel auch mitgemacht. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Deren verhaltenes Ergebnis: 2,8 Grad Erderwärmung bis im Jahr 2100 und die Zusage von gerade einmal der Hälfte der 1,3 Billionen Dollar, die Entwicklungsländer für den Klimafolgenfonds fordern. In Sachen Erderwärmung liegen die Studierenden nah an aktuellen Prognosen, in der Finanzierung sind sie hingegen doppelt so spendabel wie die Industrienationen beim vergangenen Weltklimagipfel in Baku.

Und das, obwohl auch die studentischen Vertreter der USA schon zum Auftakt der ersten Versammlungsrunde „America First!“ poltern und unmissverständlich klar machen, dass sich die Weltgemeinschaft mit der Wiederwahl Donald Trumps nun ohne sie um die „Klimalüge“ kümmern müsse. Nathan Wilke, 20-jähriger Sprecher der EU-Delegation, entschuldigt sich in seiner anschließenden Rede erst einmal für das Verhalten der amerikanischen Kollegen und setzt mit einem ruhigen, faktenbasierten Vortrag den Ton für die folgenden Beträge der anderen Fraktionen. Der Unterhaltungswert ist geringer, die Realitätsnähe wahrscheinlich nicht.

Wenig Hoffnung angesichts der weltpolitischen Lage

Die Architekturstudentin Lin ist froh, im Team der Klimaaktivisten gelandet zu sein: „Klar ist mir das Thema wichtig. Wer den Klimawandel leugnet, schießt sich selbst ins Knie.“ Sie schöpft Hoffnung daraus, dass sich junge Menschen bei Aktionen wie dem Planspiel mit der Thematik beschäftigen und dazulernen.

Die Sprecher der US-Delegation ziehen ein gemischteres Fazit. Es habe großen Spaß gemacht, Trumps Amerika zu verkörpern, aber „in echt ist das Ganze natürlich weniger lustig“. Mit Blick auf die verheerenden Folgen des Klimawandels, wie den Überschwemmungen in Pakistan vergangenes Jahr, fällt es Sajid Mohammad derzeit schwer, optimistisch zu bleiben. Doch er betont: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“