Am Betonfelsen „Eiger“ wird vermutlich nie wieder geklettert. Trotzdem bleibt er stehen, zumindest vorläufig. Was steckt dahinter?
„Plochinger Eiger“ heißt der zehn Meter hohe künstliche Kletterfels, der zwischen der Neckarbrücke und dem Kreisverkehr unter dem Plochinger Dreieck steht. Er ist ein Überbleibsel der Landesgartenschau 1998, allerdings ein in die Jahre gekommenes: Die Anlage bekommt keinen TÜV mehr und darf folglich nicht mehr genutzt werden. Die Stadtverwaltung brachte deshalb den Vorschlag ein, den Felsen abzutragen. Sie hatte allerdings die Rechnung ohne den Bauausschuss und ohne den ehemaligen Leiter des Bauamtes gemacht, der sich ebenfalls zu Wort meldete.
Ein Geschenk aus Grindelwald
Man habe ja im Vorfeld der Sitzung mitgeteilt bekommen, dass es sich beim Plochinger Eiger um eine Art Denkmal handle, sagte Reiner Nußbaum (CDU). Er bezog sich dabei auf eine E-Mail von Andreas Sättele, der zur Gartenschauzeit Leiter des Plochinger Verbandsbauamtes war. Er hatte die Fraktionen angeschrieben und auf die Geschichte des Kletterfelsens verwiesen, der ein Geschenk der Stadt Grindelwald war. Wie das damals zustande kam und wie die Beziehungen zu der Schweizer Stadt eigentlich aussahen, konnte allerdings in der Sitzung niemand mehr nachvollziehen, weder seitens der Stadtverwaltung noch seitens der teils altgedienten Ausschussmitglieder. Andere Kontakte zwischen Grindelwald und Plochingen scheinen jedenfalls nicht bekannt zu sein.
Trotzdem zeigten die Ausschussmitglieder Skrupel, den Plochinger Eiger einfach abzuräumen. Es sei sinnvoll, „die Diversität der Angebote“ im Bruckenwasen zu erhalten, meinte Lorenz Moser (OGL). Der Felsen habe bis zu seiner Schließung großen Zuspruch erfahren, sagte Harald Schmidt (ULP) und mutmaßte: „Der Abbruch wird erheblich aufwendiger als eine Sanierung.“ Rund 40 000 Euro nannte das Bauamt als Kosten fürs Beseitigen des Bauwerks. Angebote dafür hatte es bereits eingeholt. Für die Sanierung lag dagegen keine Kostenschätzung vor, Wolfgang Kissling als Leiter des Verbandsbauamtes begründete aber, warum sie kompliziert und teuer werde: Der Fels bestehe aus aufgeschichteten Betonplatten, die mit Spritzbeton übergossen wurden. In letzteren sind die Klettergriffe und Ösen eingebracht, für die die mit der Wartung beauftragte Firma keine Garantie mehr übernehmen will. „Wenn wir da wieder eine Nutzung herstellen wollten, bräuchte man lange Dübel und Schrauben bis tief in die Betonplatten“, so Kissling.
Diesen Aufwand hält die Stadtverwaltung nicht für sinnvoll. Denn der Felsen sei während der Gartenschau sicher eine schöne Sache gewesen, sagte Bürgermeister Frank Buß, für jemanden, der Klettern als Sport betreibe, sei er aber nicht attraktiv – dafür gebe es in der Region weitaus bessere und modernere Möglichkeiten. Vielleicht auch deshalb sei es von Anfang an schwierig gewesen, Ehrenamtliche zu finden, die die Betreuung während möglicher Öffnungszeiten übernehmen. Thomas Fischle (SPD) bestätigte das für den Turnverein Plochingen, dessen Vorsitzender er ist. Der TV sei wie andere Vereine auch angefragt worden und zu dem Schluss gekommen, „dass wir das nicht stemmen können“. Im Übrigen stufte er die Anlage ähnlich ein wie der Bürgermeister: „Das Ding ist ein Spielzeug und keine Kletterwand – wer klettern will, geht woanders hin.“
Der Felsen steht teils auf Wernauer Gemarkung
Aktuell ist der Mini-Eiger zur Sicherung eingezäunt. Der Zaun sei allerdings beschädigt, deshalb schlage man den Abbruch vor, so Kissling. „Diese 40 000 Euro zum jetzigen Zeitpunkt, die können wir uns sparen“, meinte dagegen Fischle und erinnerte daran, wie man vor wenigen Monaten im Hinblick auf die Sanierung des Spielplatzes im Bruckenwasen um jeden Tausender gefeilscht habe. Sein Fazit: „Lassen Sie den Berg so stehen, wie er ist.“ Das sah auch die Mehrheit der Ausschussmitglieder so. Die Anregung, auf der Fläche des „Eigers“ die angrenzende Skateranlage zu erweitern, schien dem Gremium weniger attraktiv. Ohnehin steht der Felsen zumindest teilweise auf Wernauer Gemarkung. Das Ergebnis der Diskussion war: Der Zaun wird wieder hergerichtet und regelmäßig überprüft – und der Fels bleibt stehen, solange die Stadt Wernau das Grundstück nicht für sich beansprucht.
Klettern und Bouldern in der Region
Klettern beim Alpenverein
Klettern und vor allem Bouldern – so heißt das Sportklettern ohne Seil in Absprunghöhe – liegen im Trend. 2024 hat der DAV (Deutscher Alpenverein) ein neues Kletterzentrum in Göppingen eröffnet. Dort können Vereinsmitglieder und andere Kletterbegeisterte gegen Eintritt klettern, ebenso wie im DAV-Kletterzentrum auf der Waldau in Stuttgart oder in der kleineren Kletterhalle in Kirchheim/Teck. Sie tun das immer eigenverantwortlich, das heißt, dass die entsprechenden Sicherungstechniken von den Besuchern selbst beherrscht und ausgeführt werden müssen. Dasselbe Prinzip gilt im DAV-Klettergarten in Stetten im Remstal, der im Freien, in einem ehemaligen Steinbruch, angelegt ist.
Weitere Anlagen
Bouldern ist zum Beispiel beim „Stuntwerk“ in Kirchheim möglich, das täglich geöffnet hat. Privat betrieben sind auch die Hallen von Active Garden in Waiblingen und Korb. Im Kletterwald wie dem auf dem Plochinger Stumpenhof geht es ums Klettern zwischen Bäumen und damit um Naturerlebnis, Bewegung und Selbsterfahrung. Besucherinnen und Besucher bewegen sich nach einer Einweisung selbstständig zwischen den Bäumen, betreuendes Personal ist vor Ort (www.kletterwald-plochingen.de). Der Hochseilgarten in Wernau ist von Gruppen buchbar, sein Schwerpunkt liegt auf der Teambildung (www.horizonte-ggmbh.com).