Kita-Flex gleicht einem Balanceakt zwischen weniger Fachkräften und mehr Betreuungsplätzen. Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Kita-Flex schafft neue Möglichkeiten, um mit dem Personalmangel umzugehen. Im Kern betreuen Fachkräfte mehr Kinder. Träger in Stuttgart und der Verband Kita-Fachkräfte r eagieren verhalten bis empört auf den Vorschlag.

Es klingt nach mehr Spielraum und Dynamik: Mit Kita-Flex steht Trägern von Kindertageseinrichtungen seit Kurzem ein Konzept zur Verfügung, um auf personelle Engpässe zu reagieren. Im Kern bietet es eine Grundlage, um den Mindestpersonalschlüssel neu zu berechnen. Bisher basiert dieser auf der Zahl der Gruppen. Kita-Flex ermöglicht eine Berechnung anhand der Zahl der Kinder, welche die Einrichtung insgesamt besuchen. Kita-Flex lässt eine Reduzierung der Fachkraftquote auf bis zu 80 Prozent zu. Wobei allerdings zu unterscheiden ist, ob die betreuten Kinder unter oder über drei Jahre alt sind.

Der Evangelische Landesverband Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg spricht von einer deutlich schlechteren Personal-Kind-Relation. So würden mehr als 20 Prozent mehr Kinder auf eine Person und mehr als 40 Prozent mehr Kinder auf eine Fachkraft kommen. Der Verband warnt in seiner Stellungnahme vor einer dauerhaften Absenkung von Standards.

Auch der Verband Kita-Fachkräfte reagiert mit massiver Kritik auf das neue Kita-Flex-Konzept. „Wer in diesem Zusammenhang von Qualität spricht, hat von den wissenschaftlichen Empfehlungen und der Realität keine Ahnung“, wird die Vorsitzende Anja Braekow in einer Pressemitteilung zitiert. Und weiter steht dort: „Die angestrebten Regelungen bringen Unsicherheit bei Personal, Eltern und Trägern und erhöhen künstlich die Bürokratie.“

So reagieren die großen Kita-Träger in Stuttgart

Die Reaktionen der großen Kita-Träger in Stuttgart sind zurückhaltend. Die Stadt selbst betreibt mehr als 170 Kitas und sieht in Kita-Flex „mögliche Vorteile“. Eine Verschlechterung der Personal-Kind-Relation sei unter Qualitätsaspekten aber nicht anzustreben. „Zumal damit die Belastung der Betreuungskräfte zunehmen und folglich die Attraktivität der Arbeitsplätze sinken würde“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Stadt kritisiert auch, dass das Genehmigungsverfahren aktuell noch sehr aufwendig sei, da für jede Einrichtung einzeln ein Antrag gestellt werden müsse, und schlägt vor, dass trägerbezogene Maßnahmen im Rahmen einer Gesamtkonzeption genehmigt werden können.

Viele Fragen seien noch offen, sagt Nicole Höfle vom Katholischen Stadtdekanat. Foto: Stadtdekanat/Heinz Heiss

Auch das Katholische Stadtdekanat spricht von „mehr Flexibilität“. Dies dürfe aber nicht auf Kosten der Qualität in der Betreuung gehen. In nächster Zeit wolle man keinen Kita-Flex-Antrag stellen, „da einfach noch viel zu viele Fragen offen sind“, sagt die Pressesprecherin Nicole Höfle. So müsse geklärt werden, wie sich Kita-Flex auf die Förderung auswirke, die bisher an den Gruppen bemessen werde.

Zudem laufe in Stuttgart aktuell ein Prozess, um auszuloten, wie im Rahmen der bestehenden Gesetze und Verordnungen mehr Kita-Plätze geschaffen werden können. Dabei gehe es auch um den Erprobungsparagrafen. „Die Ergebnisse werden wir auf jeden Fall abwarten, intern auswerten und dann entscheiden, was wir umsetzen können. Kita-Flex muss unbedingt in diesen städtischen Prozess mit aufgenommen werden“, sagt Nicole Höfle. Hinzu komme, dass „wir als katholischer Träger die Zustimmung des Bischöflichen Ordinariats brauchen“. Auch dort müssten Chancen und Risiken von Kita-Flex erst noch geprüft werden.

Die mögliche Reduzierung der Fachkraftquote auf bis zu 80 Prozent ist für Jörg Schulze-Gronemeyer der Knackpunkt. Foto: Evangelische Kirchenpflege Stuttgart

Mehr Flexibilität und weniger Bürokratie, diese Punkte sprechen aus Jörg Schulze-Gronemeyers Sicht für Kita-Flex. Er ist der Leiter der Abteilung Jugend und Soziales beim Evangelischen Verwaltungszentrum in Stuttgart. Kritisch sieht er die Reduzierung der Fachkraftquote auf bis zu 80 Prozent. Schulze-Gronemeyer ist überzeugt davon, dass auch Quereinsteiger zumindest eine Grundqualifizierung haben sollten, „um zu wissen, wie Kita überhaupt funktioniert“. Doch dazu treffe Kita-Flex keine Aussage, „das bleibt in der Verantwortung des Trägers“. Zudem weist er daraufhin, dass Nichtfachkräfte „immer einen höheren Betreuungsaufwand“ haben. Insgesamt betrachte er Kita-Flex „eher zurückhaltend“. „Uns würde es mehr helfen, wenn wir es schaffen, mehr Fachkräfte auszubilden und diese mit einem hohen Stellenanteil in den Einrichtungen zu halten“, sagt Schulze-Gronemeyer.

Kita-Flex als Blaupause

Konzept
Erarbeitet wurde Kita-Flex vom Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) und den kommunalen Landesverbänden, insbesondere dem Städte- und dem Gemeindetag. Grundlage ist der sogenannte Erprobungsparagraf, den der Landtag mit der Novellierung des Kindertagesbetreuungsgesetz Ende 2023 eingeführt hat. Er soll neue Möglichkeiten bieten, um mit dem Fachkräftemangel besser umzugehen. Doch nur wenige Einrichtungen machten davon Gebrauch und stellten entsprechende Anträge. Viele Kitas wussten nicht, wie sie den neuen Paragrafen in der Praxis anwenden sollen. Darum wurde Kita-Flex als eine Art Blaupause entwickelt.

Kritik
Kita-Flex kann von kommunalen, kirchlichen oder freien Trägern beim KVJS beantragt werden. Das Konzept soll möglichst großflächig erprobt werden, um Erkenntnisse zu gewinnen, ob es ein Modell für neue Rechtsgrundlagen darstellen könnte.