Was braucht es, damit Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam spielen und lernen können? Antworten auf diese Frage liefert die integrative Kita am Wallgraben.
Mädchen und Jungen mit und ohne Behinderung spielen und lernen gemeinsam, jedes Kind ist jeden Tag willkommen. So selbstverständlich dies klingt, so selten wird es gelebt. Die inklusive Kindertagesstätte am Wallgraben ist in Stuttgart einzigartig. Die Lebenshilfe eröffnete die Einrichtung in Vaihingen vor zehn Jahren und feierte nun runden Geburtstag.
„In Aufnahmegesprächen sitzen die Eltern oft weinend vor mir, denn sie suchen verzweifelt nach Betreuungsangeboten für ihr behindertes Kind und wurden schon so oft abgelehnt“, sagt Antje Strohmeyer-Schniotalla. Die Leiterin der inklusiven Kita kennt viele solcher Geschichten. Denn die meisten Einrichtungen nehmen nur einzelne Kinder mit einer Beeinträchtigung auf. Und dies auch nur dann, wenn eine sogenannte Inklusionskraft, also eine persönliche Assistenz, unterstützen kann. An Tagen, an denen diese ausfällt, darf das Kind nicht kommen. „Es fehlt an der notwendigen Kontinuität und oft auch dem Fachwissen, und so scheitert die Integration, und das Kind muss die Kita wieder verlassen. Ein frustrierendes Erlebnis“, heißt es in einer Pressemitteilung der Lebenshilfe.
Die inklusive Kita am Wallgraben will gegensteuern, kein Kind soll ausgegrenzt und jedes individuell gefördert werden. „Die Erfahrung zeigt, je früher der Umgang mit unterschiedlichen Lebensformen gelebt wird, desto selbstverständlicher ist für uns alle der Umgang damit. Hemmschwellen und Berührungsängste werden gar nicht erst aufgebaut, weil ,Anderssein’ nichts Fremdes mehr darstellt“, ist dazu im Konzept zu lesen. Antje Strohmeyer-Schniotalla ist überzeugt davon, dass inklusive Bildung in Kitas ein Kinderrecht ist. Um dieses zu gewährleisten, „brauchen wir eine allgemeine Pädagogik für alle Kinder, die jedes Kind unterstützt, sich in seinem jeweiligen Tempo mit anderen gemeinsam mit der Umwelt aktiv auseinander zu setzen“, sagt sie.
Die inklusive Kindertagesstätte am Wallgraben der Lebenshilfe Stuttgart zeigt seit zehn Jahren, wie das geht. Das multiprofessionelle Team aus Kindheitspädagoginnen, Heilerziehungspflegerin, Erzieherin, Kinderkrankenschwester, Heilpädagoginnen oder Physiotherapeutin – manche haben sogar eine Doppelqualifikation – kümmert sich gemeinsam um alle Kinder. Acht der 30 Mädchen und Jungen sind sogenannte Inklusionskinder, sie haben seit ihrer Geburt eine Behinderung. Das kann eine Autismusspektrumstörung, eine Stoffwechselerkrankung wie Diabetes, eine körperliche Einschränkung oder Trisomie 21 sein. In den zehn Jahren seit der Eröffnung der Kita wurden 37 Inklusionskinder begleitet und ganz selbstverständlich in das Gruppengeschehen einbezogen.
Dafür sind die Eltern dankbar. „Hier wissen alle gleichermaßen Bescheid“, berichtet Markus Schmickl, dessen Sohn mit Diabetes Typ 1 lebt. „Alle im Team wurden im Olga-Hospital zum Thema Diabetes geschult“, erzählt er weiter. Er sei froh, in der Kita am Wallgraben einen Platz bekommen zu haben. „Wir hätten es nicht besser treffen können.“ Sein Sohn lerne, gut mit seiner Krankheit umzugehen, die Signale seines Körpers zu verstehen und sich entsprechend zu verhalten. Das Ziel sei es, dass er später problemlos eine Regelschule besuchen könne.