Kevin Beckers arbeitet als Pädagoge in der Kirchheimer Jugendhilfe. Parallel hat er das Angebot „Rapvortrag“ entwickelt Foto: Markus Brändli

Der Kirchheimer Pädagoge Kevin Beckers befasst sich mit Deutschrap und Auswirkungen dieser Musik auf die Entwicklung junger Menschen.

Einige Künstler der Deutschrap-Szene erreichen mit ihren Songs auf Onlineplattformen wie Spotify oder Youtube mehrere Millionen Menschen. Der Gangsta-Rap ist dabei ein Genre, das davon lebt, mit gesellschaftlichen Tabubrüchen zu provozieren: Frauenfeindliche, sexistische, rassistische und gewaltverherrlichende Texte sind bei einigen erfolgreichen Künstlerinnen und Künstlern an der Tagesordnung.

Kunstfreiheit trifft auf Menschenwürde

Auch der Konsum von Drogen und Alkohol nimmt einen hohen Stellenwert ein und das nicht nur in den Texten: Im Netz kursieren Videos, in denen einzelne Künstler völlig zugedröhnt auf der Bühne stehen. Immer mal wieder landen manche von ihnen vor Gericht. Darunter Bekannte der Szene wie Bushido, Fler, Gzuz, 18 Karat oder Xatar.

Wo hat die Kunstfreiheit ihre Grenzen, die in Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes verankert ist? Scheinen einige besonders kritische Rap-Texte doch die ebenfalls gesetzlich geregelte unantastbare Menschenwürde sowie die Regeln zur Anti-Diskriminierung und zur Gleichheit von Frauen und Männern vor dem Gesetz zu ignorieren.

„Die größten Erfolge feiern die Skandal-Rapper, denn sie stechen in der Masse heraus“, sagt Kevin Beckers. Der 32-Jährige hört selbst seit 20 Jahren Hip Hop und Rap-Musik und ist in Kirchheim als Pädagoge in verschiedenen Bereichen der Jugendhilfe tätig. Sein Wissen auf beiden Ebenen hat er bei seinem „Rapvortrag“ unter dem Motto „Deutschrap – zwischen Faszination und Verantwortung“ miteinander verknüpft. Mit diesem ist er deutschlandweit und in der Schweiz mit Workshops für Schüler ab der Klassenstufe acht, deren Eltern und Pädagogen unterwegs. Sein Ziel: Den Jugendlichen zu vermitteln, dass sie das, was sie konsumieren, kritisch hinterfragen sollten.

Die Eltern sind oft überrascht

„Deutschrap ist heute allgegenwärtig, sei es im Radio, in der Mode oder sogar im Supermarkt. Die Musik und ihre Kultur üben einen nie dagewesenen Einfluss auf eine ganze Generation aus“, sagt Kevin Beckers. Man müsse sich schon fragen, ob Deutschrap wirklich unbedenklich sei oder wo die potenziellen Gefahren liegen. „Ich begegne den Jugendlichen auf Augenhöhe, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Das wäre der falsche Weg, um miteinander zu diskutieren“, weiß Beckers. Wenn er bei Vorträgen in Klassenzimmern Merchandiseartikel deutschsprachiger Rap-Größen vor sich auf dem Tisch ausbreitet, die online oder im Handel vor Ort meist ohne Altersbeschränkung frei zugänglichen sind, sind diese bei den jungen Rap-Fans sehr gefragt. Schaut man sich besonders den Inhalt verschiedener „Fan-Boxen“ an, verwundert es allerdings schon, was dort unter dem Label bekannter Plattenfirmen angeboten wird.

„In den Boxen finden sich gängige Fanartikel wie Pullis und T-Shirts, aber genauso Dinge wie Zubehör-Sets für den Drogenkonsum, Sexspielzeug, Fake-Urin für die Polizeikontrolle oder auch ein Dietrich-Set für Einbrüche“, zählt Kevin Beckers einige Beispiele auf. Die Verpackung der Boxen selbst weist nicht auf deren Inhalt hin. „Wenn ich den Eltern zeige, was ihre Kinder völlig selbstverständlich kaufen können, sind viele geschockt“, berichtet er. „Die Jugendlichen denken meistens gar nicht drüber nach, für was sie da eigentlich ihr Geld ausgeben. Da ist es einfach cool, die durch das Musikidol vermarkteten Produkte zu besitzen“, weiß Kevin Beckers aus den Gesprächen. „Meistens wird das gar nicht so ernst genommen, genauso wenig wie die teils sehr kritischen Liedtexte, die wir uns in den Workshops gemeinsam anschauen und besprechen.“

Falsche Rollenbilder und Vorbilder

Beckers, der selbst mit straffälligen Jugendlichen arbeitet, sieht die Gefahr für die jungen Leute, bei ihrem ungefilterten Konsum der Musik selbst abzudriften und von falschen Rollen- und Vorbildern geprägt zu werden. Gerade, wenn es im privaten Umfeld an diesen fehle. „Viele bewundern die Rapper für ihren Erfolg und den gern zur Schau gestellten, vermeintlichen Reichtum. Ohne unterscheiden zu können, was davon tatsächlich echt und was Fake ist“, so Beckers, „sie differenzieren nicht. Hier möchte ich Aufklärungsarbeit leisten.“ Im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern werde deutlich: „Erstmal lachen sie über die Texte. Wenn ich sie aber darauf anspreche, ob sie es selbst auch cool fänden, so abwertend behandelt zu werden oder jemand aus ihrem Freundeskreis, ist die Antwort ein klares Nein.“

Es gebe aber nicht nur die kritischen Beispiele unter den Künstlerinnen und Künstlern, betont Kevin Beckers, „Rap verarbeitet auch Alltagsthemen und persönliche Erlebnisse wie Mobbing oder Diskriminierung, mit denen sich viele identifizieren können. Die Musik kann dann auch Hoffnung geben und das Selbstbewusstsein vermitteln, dass man es schaffen kann“, so der 32-Jährige.

Weitere Informationen online unter: www.rapvortrag.de