Die Kirchengemeinden in Filderstadt teilen sich seit Neuestem ein Online-Angebot. Sie wollen, dass jeder ihr Angebot erreicht. Gerade jetzt.
Filderstadt - Klare Worte: „Besitzstandssicherung und Egoismus lassen die Schwächsten auf der Strecke bleiben und hinterlassen eine Spur der Verwüstung.“ Was Pfarrer Thomas Vogel am 7. November in der katholischen Kirche St. Stephanus in Filderstadt-Bernhausen ausgesprochen hat, ist ebenso auf Youtube abrufbar wie der Trost seiner evangelischen Kollegin Tina Arnold: „Gott hört uns, wenn wir ihn bitten, das ist ohne Frage“, sagte sie am 10. Oktober in der Georgskirche Bonlanden.
„FILmehr“ heißt der Youtube-Kanal
Die beiden Predigten und die dazugehörigen Gottesdienste sind über den neuen Youtube-Kanal „FILmehr“ zugänglich, einem gemeinsamen Projekt aller christlichen Filderstädter Gemeinden, das ins Leben gerufen wurde, um den personellen und technischen Aufwand für coronabedingte Übertragungen von Gottesdiensten in Grenzen zu halten. Zumeist ehrenamtlich arbeitende Ton- und Lichttechniker sind dafür nötig, Kameraleute und mehr Musiker als im reinen Präsenzgottesdienst: „Wir brauchen zehn Mitarbeiter, um einen Gottesdienst streamen zu können“, sagt Tina Arnold.
Weil dieser Aufwand auf Dauer für eine einzelne Kirchengemeinde nicht leistbar sei, jeder Filderstädter Christ aber dennoch die Möglichkeit erhalten solle, einen Sonntagsgottesdienst aus seiner Stadt online mitzuerleben, hat man einen gemeinsamen Kanal gegründet: „So kann jede Gemeinde immer wieder aus dem Streaming aussteigen und auf das Angebot des gemeinsamen Kanals verweisen“, erklärt Arnold. Die Rechnung ist einfach: Anstatt den eigenen Gemeindekanal wöchentlich oder 14-tägig bespielen zu müssen, ist der Filmaufwand vor Ort nur noch alle acht Wochen vonnöten, weil sich auch die Methodisten am gemeinsamen Kanal beteiligen. Eine sogenannte „FILmehr-Kerze“ symbolisiert in allen digitalen Gottesdiensten Zusammenhalt. Von Kirche zu Kirche herumtragen muss man sie nicht, es existieren acht Kopien.
Ein einmaliges Youtube-Projekt
Natürlich bestehe für Gläubige jederzeit die Möglichkeit, sich große Gottesdienste aus bedeutenden Kirchen ins Wohnzimmer zu holen – etwa aus Köln oder München, sagt Tina Arnold, „aber als Christen brauchen wir einander vor Ort“. Wenn etwa ein Katholik über den Youtube-Kanal „FILmehr“ von einer evangelischen Predigt inspiriert werde, könne er sich für ein seelsorgerliches Gespräch gerne auch an den entsprechenden evangelischen Filderstädter Pfarrer wenden, sagt sie. Andersherum gelte dies genauso. Ihres Wissens nach handle es sich bei „FILmehr“ um ein bisher einmaliges Youtube-Projekt: „Mir ist kein anderer ökumenischer Kanal begegnet.“ Die verschiedenen Konfessionen seien sich einig, den gemeinsamen Kanal auch dann weiterzuführen, wenn die Coronazeit irgendwann als beendet gelte: „Unsere Vision ist, dass es ‚FILmehr’ dauerhaft gibt – für alle, die nicht am Sonntag um 10 Uhr in der Kirche sein können.“
Katholischer Pfarrer: Extra Wort-Gottes-Feiern
Auch ihr katholischer Kollege, der für die Liebfrauengemeinde zuständige Pastoralreferent Reinhold Walter, hofft, dass mit dem wöchentlichen Wechsel das Streamingangebot dauerhaft aufrechterhalten werden könne. Anders als bei den evangelischen Gemeinden werden bei den Filderstädter Katholiken keine Präsenzgottesdienste übertragen, sondern Wort-Gottes-Feiern extra für das Streaming abgehalten. Aber derartige Unterschiede ändern nichts an Walters Einschätzung: „‚FILmehr’ ist ein wegweisendes Projekt, weil es ein Projekt ist, bei dem alle Filderstädter christlichen Gemeinden vertreten sind.“ Wichtig ist ihm, „dass wir Christen uns bewusst werden: Wir können nicht mehr nebeneinander her wursteln, sondern wir haben eine gemeinsame Botschaft, die wie gemeinsam vertreten“.
Mareike Nix formulierte ihren Ansatz so: „Wir vertrauen auf Dich. Viel mehr ist mit Dir, Gott, möglich“, sagte die evangelisch-methodistische Pastorin am 2. Oktober beim ökumenischer Gottesdienst zum Auftakt des gemeinsamen Projektes aus der Liebfrauenkirche in Bonlanden.