Wie wird die religiöse Landkarte Deutschlands aussehen? Welche Bedeutung werden Glaube und Unglaube haben? Kehren die Götter zurück oder siechen die Religionen dahin? Und was wird aus den christlichen Kirchen? Wir wagen einen Ausblick auf die religiöse Karte Deutschlands im Jahr 2050.
In der Serie „Religion und Glaube 2050“ im Kirchen-Blog der STUTTGARTER NACHRICHTEN ist es um die Zukunft der Religionen und Kirchen, des Glaubens und der Spiritualität in Deutschland gegangen. Wir haben Sie mitgenommen auf eine Reise zur Mitte des 21. Jahrhunderts – die Gegenwart immer fest im Blick. Abschließend 14 Thesen zur Lage des Glaubens und der Religion um die Mitte des 21. Jahrhunderts:
1. These:
Religion und Glaube bleiben zukunftsfähig
- Glaube und Religion sind – allen Zweiflern, Leugnern und Verächtern der Religion zum Trotz – bis heute und auch in Zukunft nicht aus der Welt zu kriegen.
- Grundlegende ethische Werte wie Menschlichkeit, Nächstenliebe und Mitgefühl können die Basis einer Spiritualität sein, die Gläubige, Agnostiker und Atheisten gleichermaßen vereint.
- Um zu glauben, bedarf es keiner Religion, Andacht, keines Kultes. Wer ein Weltbild hat, für das es sich zu leben lohnt, ist bereits ein Glaubender.
2. These:
Religiöse Konflikte nehmen an Schärfe zu
- Der Islam ist die am schnellsten wachsende, die am stärksten missionierende und sozipolitisch unberechenbarste Religion.
- Europas und Deutschlands Christenverlieren weltweit an Einfluss. Die Spannungen zwischen den beiden größten religiösen Blöcken, Christentum und Islam, werden sich – regional sehr unterschiedlich – verschärfen. Ein neues Zeitalter religiöser Konfrontation zieht herauf.
- Die Epoche postaufklärerischer Konfessionslosigkeit hat ihren Höhepunkt beschritten. Das 21. Jahrhundert steht ganz im Zeichen einer Renaissance des Religiösen.
3. These:
Der Glaube an Gott wird zum Stabilitätsanker
- Friedrich Nietzsche Diktum, „Gott ist tot!“ ist überholt. Die atheistischen Ideologien des 20. Jahrhunderts sind gescheitert.
- Der Gottesglaube erlebt angesichts globaler Krisen und Kriegen eine Wiedergeburt. Religion wird zum Stabilitätsanker und identitätsstiftenden Faktor in einer zunehmend anarchischen Welt.
- „Religionen sind die Antwort auf eine unverständliche und grausame Welt“, sagt der britische Physiker Stephen Hawking. Je unverständlicher und grausamer diese Welt wird, umso mehr wird ihr Einfluss wachsen.
4. These:
Die Kirchen bleiben religiöser Marktführer
- Die Entchristlichung der Gesellschaftist nicht aufzuhalten. Der religiöse Einfluss der beiden großen Kirchen erodiert weiter.
- Das Modell der Volkskirchen ist überholt. Dennoch bleiben die evangelische und katholische die bestimmenden „religiösen Player“ auf dem Markt der Religionen und Weltanschauungen.
- Die Säkularisierung (Verweltlichung) ist ein Prozess, der nicht linear und kontinuierlich verläuft. Vielmehr laufen gleichzeitig und nebeneinander gegenläufige Entwicklungen ab.
5. These:
Der Glaube wird individueller und gesellschaftlich irrelevanter
- Die Mehrheit der Deutschen werden 2050 keine bekennenden Atheisten oder Religionsgegner sein, sondern lauwarm und halbherzig an irgendetwas glauben.
- Der Trend geht zur Individualisierung der Religion und zur Popularisierung von Glaube und Spiritualität. An den Kirchen geht dieser Trend weitgehend vorbei.
- Bei einer Mehrheit wandelt sich der konfessionell institutionelle Glaube zu einer Art Patchwork-Identität. Der Glaube nährt sich aus Versatzstücken, die jeder für sich zusammensetzt.