Die Lieferanten des Programms für die deutschen Arthaus-Kinos fordern, die Corona-Hilfen mit Blick auf die gesamte Branche gezielter einzusetzen – sonst könnten bald die Filme ausgehen.
Berlin - „Ohne Filme kein Kino“ – mit dieser Botschaft wenden sich die unabhängigen deutschen Filmverleiher in einem offenen Brief an die Politik mit der Forderung, die Corona-Hilfen nachzujustieren. Die bereits mehr als 100 Millionen Euro zur Rettung der Kinos hätten deren Überleben gesichert, aber: „Es fehlt bis heute die Gesamtsicht auf die Filmwirtschaft und Filmkultur und deren Repräsentanten.“ Und weiter: „Bereits in der Vergangenheit lagen die wirtschaftlichen Risiken eines Filmstarts weitgehend auf den Schultern der Verleiher. Wir starten Filme mit hohem finanziellem und persönlichem Engagement. Dieses Risiko hat sich durch die pandemiebedingte Reduzierung der Sitzplätze vervielfacht.“
Dennoch hätten die Filmverleiher insbesondere Arthauskinos mit Filmen beliefert: „Wir alle starten diese Filme in dem Bewusstsein, dass in diesen besonderen Zeiten nur noch ein kleiner Teil der Besucherzahlen möglich ist, die vor Corona möglich waren. Dies liegt nicht nur an den Platzbeschränkungen, sondern auch an der Zurückhaltung des Publikums. Massive Umsatzrückgänge sind die Folge, unter denen alle Verleiher, Produzenten und Kinobetreiber zu leiden haben.“ Christian Petzolds „Undine“ gehört zu den Filmen, die kurz nach dem Lockdown in die Kinos kamen und nur einen Bruchteil der Zuschauer fanden, die sie verdient hätten.
Deutsche Filme reichen nicht
Die Verleiher fordern eine strukturelle Förderung statt der bislang üblichen Verleihförderung für einzelne Filme, die derzeit nur bei deutschen Filmen und bei deutschen Koproduktionen greift: „Unsere Aufgabe besteht aber darin, die Kinos mit einem attraktiven und vielfältigen Filmprogramm zu versorgen: Kino ist ein Tor zur Welt. Mit ausschließlich deutschen Filmen lässt sich kein attraktives Programm kuratieren“, erklären sie. Die Kinos würden ja auch nicht nur für das Abspielen deutscher Filme unterstützt.
Was passiert, wenn keine Hilfe kommt? Viele Verleiher würden „das immense Risiko von Neustarts“ nicht mehr eingehen und „wie die internationalen Studios“ viele Filme auf 2021 verschieben. Ohne frisches Programm aber wären die Arthauskinos auf Dauer wohl kaum zu retten.
Blockbuster werden immer weiter verschoben
So wie viele Multiplex-Kinos. Der Stuttgarter Ufa-Palast war eines der ersten Opfer, nun folgen weitere. So hat die Kinokette Cineworld angekündigt, wegen der Einbußen durch die Corona-Pandemie alle ihre 128 Häuser in Großbritannien und Irland zu schließen. Das berichteten britische Medien am Sonntag übereinstimmend. Etwa 5500 Jobs seien in Gefahr.
Zuvor war der Start des neuen James-Bond-Films „No Time to die“ ein weiteres Mal verschoben worden auf Frühjahr 2021 – die Kinos hatten mit ihm die Hoffnung auf höhere Besucherzahlen verbunden. Auch die Hollywoodstreifen „Wonder Woman 1984“, „Top Gun Maverick“, „Black Widow“ und „The King’s Man“ wurden zuletzt verlegt. Das betrifft deutsche Kinobetreiber natürlich genauso.
Nicht überlebensfähig?
Wenn die Studios ihr potenziellen Hits noch ein bisschen verschieben, werden sie kaum noch überlebende Kinos finden, in denen sie ihre Filme spielen können. Da lauert sie zweite Gefahr: Dann wäre die Versuchung groß, in Zukunft ganz auf Einzelabruf im Streaming zu setzen, wie es Disney mit „Mulan“ bereits praktiziert hat.
In einem Brief an Premier Boris Johnson schreiben die Cineworld-Chefs, die Branche sei so „nicht überlebensfähig“. Die Kinokette, die in zehn Ländern vertreten ist, hatte zuletzt Halbjahresverluste in Höhe von knapp 1,6 Milliarden US-Dollar (1,37 Mrd Euro) gemeldet.