Elsas Tochter wäre jetzt eigentlich in die sechste Klasse gekommen. Doch Lea ist weiterhin in Slowenien. Der Jahrestag ihrer Entführung naht. Derweil hat der Vater der Elfjährigen Verfassungsbeschwerde eingelegt – mit Folgen.
Elsa wacht morgens mit Gedanken an ihre Tochter auf, schläft abends mit Gedanken an sie ein. Sie schreibt ihr jeden Tag Nachrichten. Schickt der Elfjährigen Fotos, die sie an die Zeit erinnern sollen, als sie noch zusammen waren. Sie sieht, wenn die Nachrichten gelesen worden sind. Aber sie weiß nicht, ob es Lea war, die sie angesehen hat. „Ich gehe davon aus, dass ihr Handy überwacht wird“, sagt Elsa. Sie hört aber trotzdem nicht auf, Nachrichten zu schicken.
Bald ist es ein Jahr her, dass ihre Tochter nicht mehr bei ihr lebt. Am 7. Oktober 2023 hatte ihr Ex-Partner Lea unerlaubt nach Slowenien entzogen, obwohl Elsa das alleinige Sorgerecht hat. Sie hat vor Gericht sowohl in Deutschland als auch in Slowenien bisher in allen Instanzen gewonnen. Doch eine Vollstreckung des richterlichen Urteils zur Rückführung im Sommer nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) scheiterte – und nun geht die juristische „Hängepartie“, von der sie spricht, schon wieder weiter.
Geht die Verzögerungstaktik auf?
„Alle Register“ ziehe David K., Leas Vater, sagt die 35-Jährige, die im Landkreis Ludwigsburg lebt. Ihr Ex-Partner habe in Slowenien Verfassungsbeschwerde eingelegt, um die Rückführung zu verhindern. Er sei der Ansicht, der Kindeswille müsse berücksichtigt werden, dass Lea in Slowenien bleiben wolle, was diese auch bei der gescheiterten Rückführung klar gemacht hatte. Elsa findet das überhaupt nicht verwunderlich: Ihre Tochter stehe nun schon elf Monate komplett unter dem Einfluss des Vaters. Sie werde von ihm manipuliert, natürlich sage sie, sie wolle dort bleiben.
Für die Mutter ist die Situation kaum zu ertragen. Ihre Tochter komme bald in die Pubertät und sie könne nicht für sie da sein. Das Verfassungsgericht habe verfügt, dass die Vollstreckung der Rückführung bis zur Entscheidung ausgesetzt werden müsse. Es wird also erstmal keinen weiteren Versuch seitens der slowenischen Behörden geben – und so verstreicht noch mehr Zeit. Es könne doch nicht sein, meint Elsa, dass das HKÜ-Verfahren von Grund auf so leicht zu hintergehen sei, man ein Kind entführen könne und durch Verzögerungstaktik damit durchkomme. Auch die Geldstrafen, zu denen David K. verurteilt worden sei, seien bisher nicht durchgesetzt worden. „Er hat noch keine Konsequenzen gespürt“, sagt sie.
Sie sind immer zusammen nach Südtirol gefahren – diesmal ohne Lea
Elsa hat sich inzwischen unter anderem Hilfe suchend an die Bundestagsabgeordneten ihres Wahlkreises gewandt. Mit Steffen Bilger (CDU) habe sie daraufhin persönlich gesprochen. Er signalisierte nach eigenen Angaben den übrigen Abgeordneten, dass er sich kümmere, kontaktierte die deutsche Botschaft in Slowenien und die slowenische Botschaft in Berlin. „Ich setze darauf, dass die slowenische Botschaft aufgrund meiner Nachfrage für Bewegung bei den slowenischen Behörden sorgt“, so Bilger.
Die slowenische Botschafterin habe sich umgehend gemeldet und zugesichert, sich um die Angelegenheit zu kümmern, berichtet er. Zurzeit warte er auf eine weitere Nachricht. „Es ist in der Europäischen Union nicht akzeptabel, dass so gegen Recht verstoßen wird wie in diesem Fall durch den Vater“, betont Steffen Bilger. Die Mutter habe eigentlich bereits alles getan und müsse trotzdem nun schon so lange ohne ihre Tochter ausharren.
Immerhin, Elsa hat kürzlich mal wieder ein gutes Telefonat mit ihrer Tochter über Telegram geführt. David K. bestehe darauf, den Dienstleister zu benutzen, weil er nicht geortet werden will, berichtet die Mutter. Sie habe Lea die Bilder aus dem Sommerurlaub gezeigt, die sie ihr schon geschickt hatte – Fotos von dem Hotel in Südtirol, in das sie traditionell jedes Jahr fahren. Dieses Jahr zum ersten Mal ohne Lea. Sie habe gemerkt, dass das etwas in ihrer Tochter ausgelöst habe. Sie habe sich stärker geöffnet als sonst.
„Das ist und bleibt Dein Zimmer“
Lea habe bei dem Telefonat auch auf ihr Zimmer reagiert, das sie über die eingeschaltete Kamera sehen konnte. „Das ist und bleibt Dein Zimmer“, habe Elsa ihr versichert. Das Babybettchen, das Lea an der Seite entdeckt habe, sei zu klein geworden und werde verkauft. Leas Halbbruder, der im Dezember geboren wurde, schläft im Schlafzimmer der Eltern. Ob er denn schon so groß sei?, habe Lea gefragt. „Sie hat schon so viel verpasst“, sagt Elsa und schluckt. Lea habe sich immer ein Geschwisterchen gewünscht.
Elsa arbeitet seit April im Homeoffice, weil es nicht anders geht. Die Anwaltskosten in Deutschland und Slowenien sind enorm hoch und beliefen sich inzwischen schon auf rund 80 000 Euro.
Familienrechtliche Auseinandersetzungen im Ausland deckt die Rechtsschutzversicherung nicht ab. Darauf weist auch die Schwester der 35-Jährigen auf der Plattform GofundMe hin, wo eine Spendenaktion läuft. Das Spendenziel wurde bei weitem nicht erreicht. Tagsüber kümmert sich Elsa um ihren Sohn. Sie arbeite spät abends und nachts – bis zwei oder drei Uhr sitze sie an ihrem Rechner, um Kundenanfragen für ein Unternehmen zu beantworten. Auf Dauer, fürchtet sie, werde sie das nicht durchhalten können. Aber: Aufgeben bleibe keine Option.
Der Link zur Spendenaktion lautet: https://www.gofundme.com/f/lea-zurueckholen.