Falsche Bilder auf dem Handy können schnell zur Strafbarkeit führen. Foto: dpa/Silas Stein

Die Justizminister der Länder ziehen Lehren aus der Praxis. Atypische Fälle können vor Gericht nicht adäquat behandelt werden.

Warnende Stimmen hatte es genug gegeben, aber die kamen von Fachleuten. Den Ton hat seinerzeit aber die Politik angegeben. So kam es, noch zu Zeiten der großen Koalition, dass im Kampf gegen die Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie wieder einmal das Schwert gezogen wurde, mit dem sich bei öffentlichen Auftritten besonders Eindruck schinden lässt: die Verschärfung des Strafrechts. Doch die Warner sollten Recht behalten. Am Donnerstag hat die Justizministerkonferenz bei ihrer Herbsttagung empfohlen, erneut Hand an das Gesetz zu legen. Paragraf 184b des Strafgesetzbuches soll entschärft werden.

Probleme in der Praxis

Grundsätzlich seien härtere Strafen für Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie schon richtig, so die Baden-Württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU). Vor allem, wenn auch noch Missbrauch hinzu komme, sei Kinderpornografie schließlich nicht einfach nur ein Bild, sondern ein mittelbarer Angriff auf das Kind. Allerdings müsse man das Gesetz auch weiterentwickeln. „Die Erfahrungen der Praxis zeigen auch, dass es viele Fälle gibt, die am Kern der Sache vorbeigehen“, sagte Gentges nach Abschluss der Konferenz gegenüber unserer Zeitung.

Das praktische Problem liegt in einer großen Anzahl so genannter atypischer Konstellationen. Mehr als 40 Prozent der Fälle, so Gentges, seien so genannte Schulhof-Fälle. Da machen junge Mädchen Nacktfotos und schicken sie ihrem Freund, oder Jugendliche teilen solche Fotos untereinander, ohne sich überhaupt darüber bewusst zu sein, dass sie damit in den Bereich der Strafbarkeit kommen. Genau das geschieht aber, und zwar deutlich. Im Sommer 2001 ist der entscheidende Paragraf 184b von einem Vergehens- zu einem Verbrechenstatbestand heraufgestuft worden. Die Mindestfreiheitsstrafe beträgt seither ein Jahr Haft, auf einen minderschweren Fall hatte man seinerzeit im Gesetz verzichtet.

Absurde Blüten bei der Rechtsfindung

Das führt zu absurden Blüten. Ein Jugendlicher, der sich selbst beim Masturbieren filmt und den Film auf dem Handyspeicher belässt, verwirklicht mit Erreichen der Strafmündigkeit einen Verbrechenstatbestand. Während das Jugendstrafrecht noch Möglichkeiten einer angemessenen Reaktion bietet, wird es bei Erwachsenen nahezu unmöglich, die atypischen Fälle so zu behandeln, wie es sachgerecht wäre.

Wenn beispielsweise Eltern oder Lehrer von Fotos dieser Art Kenntnis erlangen, und sich diese zu Beweiszwecken weiterleiten, machen sie sich ebenfalls eines Verbrechens strafbar. Gerichte können in diesen Fällen – anders als bei Jugendlichen – auch nicht die Verfahren einstellen. Das ist nicht so gewollt gewesen und soll nun korrigiert werden. Die Justizminister der Länder haben daher mit breiter Mehrheit beschlossen, den zuständigen Kollegen im Bund zu bitten, den Paragrafen entsprechend anzupassen.

Zerrüttetes Verhältnis zum Bund

Allerdings: Selten war das Verhältnis zwischen den Justizministern von Bund und Ländern so angespannt wie im Augenblick. Das liegt vor allem am Geld. Einstimmig forderten die Landesjustizminister, den im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP zugesagten Rechtsstaatspakt umzusetzen. Konkret verlangen die Länder, das Ursprungsvolumen des Pakts in Höhe von 220 Millionen Euro bis 2027 weiter auszuzahlen. Zudem fordern sie für die Digitalisierung der Justiz jährlich eine Förderung von 350 Millionen bis zum Jahr 2025. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bietet weniger.