Olaf Scholz an alter Wirkungsstätte – der Bundeskanzler hat im Hamburger Rathaus dem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort gestanden. Foto: AFP/Daniel Bockwoldt

Vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss bestreitet der frühere Bürgermeister, dass es politische Einflussnahme zugunsten der Warburg Bank gab. Über konkrete Gesprächsinhalte in den Jahren 2016 und 2017 sagt er weiterhin nichts.

Ein Mann mit Olaf-Scholz-Maske kehrt Geldscheine unter den Teppich, auf dem groß „Erinnerungslücke“ steht. Vor dem prachtvollen Hamburger Rathaus, in dem der frühere Hausherr und heutige Bundeskanzler an diesem Freitagnachmittag zu möglichen Verstrickungen in den Skandal rund um die Warburg Bank Auskunft geben muss, demonstriert die Organisation Finanzwende für Aufklärung und Transparenz. Ihr Vorsitzender Gerhard Schick, einst Obmann der Grünen im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Bundestages, erwartet zwar nicht so viel vom zweiten Auftritt des Kanzlers im parlamentarischen Pendant der Hansestadt. Aber er glaubt auch nicht, dass die Sache damit vom Tisch wäre: „Nach der Anhörung ist vor der Anhörung.“

Ein ausführliches Statement, karge Antworten

Der Zeuge Olaf Scholz, 64 Jahre alt, von Beruf Rechtsanwalt, wohnhaft in Potsdam, hegt dagegen „die leise Hoffnung, dass diese Unterstellungen nun aufhören“. So sagt es der Kanzler, der auch freudig anmerkt, im Plenarsaal wieder auf seinem alten Platz zu sitzen, nämlich dem des Bürgermeisters auf der Regierungsbank. Er berichtet, sich mit Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, Regierungssprecher Steffen Hebestreit und seiner Büroleiterin Jeanette Schwamberger auf die Befragung vorbereitet zu haben – allesamt Vertraute, die ihn schon seit seiner Hamburger Zeit begleiten. Auch sein eigener Anwalt sei mit von der Partie gewesen.

In seinem Eingangsstatement berichtet der Kanzler, dass er sich sein Leben lang für ein gerechteres Steuersystem eingesetzt habe und die Cum-Ex-Betrügereien mit fälschlicherweise zurückerstatteten Kapitalertragssteuern „kein Kavaliersdelikt“ seien. Zum Kern des Untersuchungsgegenstandes, ob nämlich die politisch Verantwortlichen die Hamburger Finanzverwaltung zum Verzicht auf eine nachträgliche Steuereintreibung in Höhe von 47 Millionen Euro bei der Warburg Bank gedrängt haben, bleibt Scholz bei seiner schon lang getätigten Aussage. „Da war nichts“, betont er: „Es hat keinen Einfluss auf das Steuerverfahren durch die Politik gegeben.“

Keine Vorzugsbehandlung im Fall Warburg Bank

Wie schon im April 2021 will er „keine konkrete Erinnerung“ an die drei in Rede stehende Treffen mit den damaligen Warburg-Chefs Christian Olearius und Max Warburg haben. Der Kanzler versucht stattdessen, mit Presseveröffentlichungen über andere Zeugenaussagen seine Sicht der Dinge zu verbreiten. So sei es für einen Rathauschef überhaupt „nichts Ungewöhnliches“, sich in den Jahren 2016 und 2017 drei Mal mit Vertretern einer der größten Banken seiner Stadt getroffen zu haben: „Es hat keine Vorzugsbehandlung von Herrn Olearius oder Herrn Warburg gegeben.“

Dass er in Gesprächen mit den verschiedensten Interessenvertretern generell „keine Zusagen“ mache, sondern sich vielmehr eine Meinung über den jeweiligen Sachverhalt bilde, werde im Fall Warburg auch durch die mittlerweile beschlagnahmten Tagebucheinträge von Olearius deutlich. „Wir bekommen nichts versprochen“, zitiert Scholz via Zeitungsartikeln den mittlerweile vor Gericht stehenden Aufsichtsratschef der Bank, die damals offenbar um ihren Fortbestand bangen musste und um Unterstützung bat. Er, gemeint ist der Ex-Bürgermeister, „lässt nichts durchblicken.“ Anders als zuletzt mit Verweis auf das Protokoll einer geheimen Finanzausschusssitzung des Bundestags berichtet, will sich Scholz dort nicht anders als im Hamburger Ausschuss geäußert haben.

Selbst das eigene Urlaubsziel will Scholz nicht mehr kennen

Sehr viel einsilbiger tritt Scholz in der folgenden Befragung auf, die sich über mehrere Stunden zieht. Dutzende Male sagt er, sich nicht erinnern zu können. Das ist beispielsweise der Fall, als es um die Rollen des damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und des früheren Hamburger Innensenators Alfons Pawelczyk geht, einem langjährigen Scholz-Wegbegleiter. Oppositionspolitiker der Linken und der Union lesen aus der bisherigen Aktenlage heraus, dass die beiden Sozialdemokraten sich zu Anwälten von Warburgs Sache gemacht und auch Scholz eingebunden hätten. Zu seinen Treffen mit den beiden verweist der Kanzler auf seine fehlende Erinnerung. Einzig in Bezug auf Pawelczyk räumt er ein, dass es in seinen Gesprächen mit ihm auch um Warburg gegangen sein könnte – freilich nie mit dem Ziel einer politischen Einflussnahme.

So kommt es auch nicht überraschend, dass Scholz klar verneint, sich jemals mit der Finanzbeamtin P. getroffen zu haben. Diese hatte nach der Entscheidung ihrer Behörde von November 2016, vorläufig auf das Eintreiben der unrechtmäßig nicht von der Warburg-Bank gezahlten Steuern zu verzichten, in einer Chatnachricht ihrer Freundin anvertraut, ihr „teuflischer Plan“ sei aufgegangen. Er weiß auch weiterhin nichts über die 200000 Euro zu berichten, die in einem Schließfach von Kahrs gefunden wurden. Auch dazu, ob die Hamburger SPD die Spende der Bank nicht längst hätte zurückzahlen müssen, will er dem Landesverband überlassen. Und natürlich will er auch nie Löschungen wichtiger dienstlicher Termineinträge oder E-Mails angeordnet haben. Man erfährt bei dieser Gelegenheit, dass Scholz auch einen privaten Account unterhält, um mit seiner Frau zu kommunizieren oder Urlaube zu planen – diese Mails lösche er aber immer sofort.

Ein wenig platzt dem Kanzler dann doch der Kragen

Apropos Urlaub. Als Scholz aus dem Ausschuss heraus gefragt wird, ob er sich daran erinnern könne, wo er 2016 seine Ferien verbracht habe, antwortet der Bundeskanzler ebenfalls: „Nein.“ Dass es auch bei solchen die Vergangenheit betreffenden Fragen bei Scholz‘ Erinnerungslücken bleibt, frustriert natürlich die Opposition. Der CDU-Obmann Richard Seelmaecker bietet Scholz sogar an, dieser könne sich freiwillig dem anerkannten Verfahren der Hypnose unterziehen, um die verschollenen Erinnerungen wieder an die Oberfläche zu holen. Da platzt dem Kanzler dann doch ein wenig der Kragen, der darin eine „Karikatur der Befragung“ und „Hokuspokus“ erkennt.