Sind die Gesetze gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution zu lasch? Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Der Prozess um das Echterdinger Bordell „Paradise“ hat vor einigen Jahren bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Jetzt sprechen die Ermittler von damals über den Fall und gehen mit der Politik hart ins Gericht. Warum sie das Prostitutionsgesetz für zu lasch halten.

Vier Wochen lang war im Leinfelder Haus eine Ausstellung zum Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution zu sehen. Die Abschlussveranstaltung des Arbeitskreises Prostitution Leinfelden-Echterdingen hatte es nun in sich: Zwei ehemalige Kriminalbeamte berichteten nicht nur über die spektakulären Ermittlungen rund um das ehemalige Echterdinger Bordell „Paradise“. Auch ihre Botschaft an die Adresse der Politik rüttelte viele Zuhörer auf: Schlimmer wie jetzt, so das Credo der Experten, könne es im Sexgewerbe in Deutschland nicht werden.

Der Prozess, der in den späten 2010er-Jahren gegen den Bordellbetreiber Jürgen Rudloff und zwei weitere Mitangeklagte wegen des Verdachts auf Beihilfe zu Menschenhandel und Zwangsprostitution als Bordellbetreiber geführt wurde, ist in Leinfelden-Echterdingen unvergessen. An den jahrelangen Ermittlungen waren der ehemaliger Erste Kriminalhauptkommissar im Landeskriminalamt, Wolfgang Fink, und dessen Kollege Helmut Sporer, pensionierter Oberkriminalrat der Kripo Augsburg, maßgeblich beteiligt.

Augsburger Polizei brachte Ermittlungen ins Rollen

Jetzt waren die beiden Kriminaler im Rahmen der Foto-Ausstellung „gesichtslos – Frauen in der Prostitution“ im voll besetzten Vortragssaal des Leinfelder Hauses Gäste des veranstaltenden Arbeitskreises Prostitution. Seit Anfang 2023 informiert die Gruppierung über das Thema Sexarbeit, Menschenhandel und Zwangsprostitution.

Sporer erinnerte im Gespräch mit der Moderatorin Stephanie Reinhold daran, dass die Augsburger Kriminalpolizei den Stein im Fall „Paradise“ einst ins Rollen gebracht hatte: Ein Augsburger Bordell hatte demnach bereits in den Nullerjahren Kontakt zu dem Echterdinger Etablissement. „Es ging darum, dass das Augsburger Bordell zu wenig Frauen hatte. Das Paradise sollte sie liefern“, berichtet Sporer aus den damals verdeckten Ermittlungen der Polizei.

Ermittler kritisiert „Infrastruktur für Menschenhandel“

Die Dimension, die der Fall in der Folge entwickelte, sei enorm gewesen, sagt der ehemalige Oberkriminalrat. „Es gab Verbindungen zur Geschäftswelt und zu Prominenten.“ Die Frauen würden von Bordell zu Bordell verfrachtet, um Freiern stets neue Prostituierte anbieten zu können. „Hinter der Fassade gibt es deshalb fast immer eine Zusammenarbeit zwischen Menschenhändlern, Zuhältern und Bordellbetreibern“, sagt Sporer. Die kriminelle Praxis führt der Experte direkt auf das liberale Prostitutionsgesetz in Deutschland zurück: „Wir haben staatlicherseits eine perfekte Infrastruktur für Massenprostitution und Menschenhandel geschaffen“, kritisiert der Ex-Kriminalbeamte und nimmt in diesem Zusammenhang ausdrücklich vor allem die grüne Bundespolitik in Haftung. Freier würden durch die liberalen Gesetze geradezu animiert, ins Bordell zu gehen. Die Scham sei gefallen und die Preise für Prostituierte auch, sagt Sporer.

„Zum ersten Mal war es möglich, einen Bordellbetreiber zu verurteilen“, erklärt Wolfgang Fink in Bezug auf den Fall „Paradise“. Der Vorsitzende Richter habe das Urteil damals als ein Signal an die Politik bezeichnet. Das derzeit geltende Prostitutionsgesetz sei dennoch weitgehend untauglich, um die Prostituierten im Sexgewerbe vor ihren Peinigern zu schützen, betonen beide Ermittler. Im sogenannten nordischen Modell, in dem sich auch Freier und Bordellbetreiber strafbar machen, läge zumindest die Chance, dass sich in der Gesellschaft eine Haltungsänderung einstelle. „So, wie es jetzt ist, kann es jedenfalls nicht weitergehen“, sagt Fink.

Wolfgang Fink (links) und sein Augsburger Kollege Helmut Sporer führten die Ermittlungen im Fall des Echterdinger Bordells „Paradise“. Rechts die Moderatorin Stephanie Reinhold vom Arbeitskreis Prostitution. Foto: Torsten Schöll

Denn Tatsache sei: „Wir haben mitten in Europa ein Eldorado für den Sextourismus geschaffen“, so der ehemalige Stuttgarter Kriminalbeamte. Vom Schutz der sexuellen Integrität, der mittlerweile in allen gesellschaftlichen Bereichen gelte, sei ausgerechnet die Prostitution ausgeschlossen, unterstreicht Sporer. Für ihn steht fest: „Frauen können nicht in der Prostitution geschützt werden, sondern nur vor der Prostitution.“

Bemerkenswert: Selbst die Arbeitskreis-Moderatorin Stephanie Reinhold, die zugleich Kreisrätin der Grünen ist, betont am Freitag, dass sich mit dem nun anstehenden Regierungswechsel in Berlin die Chance ergeben könnte, dass sich „im Sinne der Frauen etwas tut“.

Ausstellung lockt 400 Besucher an

Wie AK-Gründerin Regina Golke im Anschluss an das Gespräch erklärt, seien die jetzt zu Ende gegangene Ausstellung und die begleitenden Veranstaltungen für den erst seit 2022 bestehenden Arbeitskreis „ein großer Erfolg gewesen“. Trotz der eingeschränkten Öffnungszeiten besuchten mehr als 400 Interessierte die Ausstellung. Jetzt soll es weitergehen, sagt Golke. Grunde gebe es mehr als genug.