Mit der Kampagne „Cleverländ“, die in Eppingen begonnen hat, will das Land für einen verantwortungsvollen Umgang mit Energie werben. Nicht nur Verbände sind skeptisch.
Von Südeingang der Gartenschau Eppingen ist er gar nicht zu übersehen, der Stand der Energiesparkampagne Cleverländ. Dabei kommt der weiß- gelbe Container mit seiner weißen Markise recht bescheiden daher. „Der Stand haut einen nicht um“, zeigt sich ein älterer Bruchsaler unbeeindruckt. Seine Frau meint, „die Energiespartipps kennt man schon“. Dass sie nicht regelmäßig das Flusensieb an ihrer Waschmaschine austauschen würde, geht ihr fast an die Hausfrauenehre.
So geht es vielen der eher angegrauten Besucher der Landesgartenschau. Doch sie nehmen den Auftakt der Energiesparkampagne des Landes und auch die Tipps freundlich auf. Vielleicht gibt es ja noch welche, die es nicht wissen“. Manche wissen es auch und tun es trotzdem nicht. Viel Gelächter gibt es in der Runde der Handwerkerfrauen, die sich über die Spargepflogenheiten austauschen. Man weiß es von Kindesbeinen an, hat es an die Kinder weitergegeben, sagt Carmen Probst und sagt auch den Enkeln, dass man nicht bei Tag die Rollläden unten lässt und das Licht anknipst. Die 59-Jährige ist „nicht sicher, ob mein Mann die Steckdose ausknipst“. Ihre Kollegin setzt noch einen drauf: „Wenn mein Mann abends fernsieht, ist das Gerät morgens noch auf Standby“. So kommt man schnell auf die Raumtemperatur und ob man wirklich fünf Mal im Jahr mit dem Billigflieger in den Urlaub muss.
Ein Hauch von Selbstkritik
Das ist ganz im Sinne des Ministerpräsidenten, der zur offiziellen Eröffnung der Kampagne mit eher schüchternem Beifall einzelner der einigen Dutzend Besucher rund um den Stand begrüßt wird. „Natürlich ist nicht alles neu“, sagt er mit Blick auf die Tipps im Energiesparbüchle. „Der Sinn der Kampagne ist, dass darüber geredet wird“. Mit einem Hauch von Selbstkritik merkt er an, „ich habe auch Vorschläge gemacht, nicht jeden muss man befolgen.“
Einen differenzierten und teilweise kritischen Blick auf die Kampagne haben auch jene, die sich hauptamtlich um ein Klientel kümmern, das wenig bis gar kein Geld hat und dem sich die Frage nicht stellt, ob ein neuer Kühlschrank den eigenen Energiebedarf signifikant senken könnte. Die Kampagne sei „sicherlich sinnvoll für die breite Bevölkerung, die sich Gedanken machen will, sparsamer zu leben“, sagt Claudia Mann, Sprecherin der Diakonie Württemberg. In Bausch und Bogen lehnt man bei der Diakonie die Kampagne des Landes nicht ab. „,Cleverländ’ halten wir prinzipiell für sinnvoll, für die Diakonie und andere Wohlfahrtsverbände und ihre Klienten liegt das Problem aber sehr viel tiefer und existenzieller“, sagt Claudia Mann.
Dass die Kampagne einen schwierigen Vorlauf hatte, wird vor Ort in Eppingen schnell klar. Bei allen Besuchern fällt früher oder später der Begriff Waschlappen. „Das kommt immer und das , das wäre nicht nötig gewesen,“ sagt Sandra Friedrich, die als Energieberaterin am Stand steht. Da sei der Ministerpräsident zu weit gegangen, finden alle. Nicht jeder ist in seiner Ablehnung so vehement wie die ältere Dame aus dem Schwarzwald-Baar Kreis. „Wir haben zuhause immer gespart. Gebadet wurde nur samstags. Die Woche über haben wir uns mit dem Waschlappen gewaschen“, berichtet sie aus ihrer Kindheit. Für sie steht fest, bei aller Sparsamkeit „so wie früher will man es nicht mehr“. Für sie war es „einfach blöd“, was Kretschmann über die Waschlappen gesagt hat. Sie hat drastische Ermahnungen zum Sparen erfahren: „Mir hat mein Vater mal eine runtergehauen, weil ich das Licht nicht ausgemacht habe“. Weitere Ratschläge braucht sie nicht.
Die Leute kommen vorbereitet an den Stand
Kritisch gegenüber Belehrungen ist auch eine Besucherin, die im Sozialbereich tätig ist. „Die Leute, die‘s müssen, die wissen wie man spart“, merkt sie sarkastisch an. Dass man beim Kochen den Deckel auf den Topf tue, das wisse man.
Belehrt werden will niemand, hat auch Energieberaterin Friedrich erfahren. „Mit erhobenem Zeigefinger dazustehen, bringt gar nichts“. Sie und die Vertreter des Handwerks, der EnBW und der Verbraucherzentrale haben das auch gar nicht vor. „Man muss individuell auf die Leute eingehen“. Die Besucher sind sehr aufgeschlossen, hat Friedrich festgestellt. „Manche kommen regelrecht vorbereitet“. Und mit manchen hat sie bereits Folgegespräche für eine echte Energieberatung vereinbart.
„Nicht verkehrt“ findet denn auch Rosemarie Daumüller, Geschäftsführerin des Landesfamilienrates, die Energiespartipps der Landesregierung. Dabei dürfe es allerdings nicht bleiben, sagt sie bei einer Umfrage unserer Zeitung unter verschiedenen Verbänden. Sie wünscht sich insbesondere für einkommensschwache Familien eine „flächendeckende Beratung zum Stromsparen“. Derzeit gebe es bei solchen Angeboten lange Wartezeiten. Auch sollte die Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte finanziell unterstützt werden. Von der Politik fordert der Landesfamilienrat gesetzliche Regelungen, die verhindern, dass in Familienhaushalten der Strom abgestellt wird, weil die steigenden Kosten nicht mehr bezahlt werden können.
Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Baden-Württemberg schlägt in eine ähnliche Kerbe. Es sei grundsätzlich richtig, aufs Energie sparen zu achten. Die Tipps allerdings würden „Menschen mit geringem Einkommen oder einer kleinen Rente wenig helfen. Sie müssen ohnehin sparen, um mit den wenigen finanziellen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, über die Runden zu kommen“. Heizkosten könne dieser Kreis nur bedingt beeinflussen, weil Menschen mit niedrigem Einkommen häufig in Wohnungen lebten, die energetisch in einem schlechten Zustand ist.“ Vermieter sollten „angehalten werden, energetische Sanierungen durchzuführen, moderne Heizsysteme einzubauen, um Energie einzusparen.“ Sie bringt es prägnant auf den Punkt: „Menschen mit geringem Einkommen benötigen keine Spartipps, sondern zusätzliche Hilfen“.
Die häufig diskutierte Maßnahmen wie das Austauschen energieintensiver Geräte oder das bessere Dämmen von Gebäuden richteten sich nicht an die breite Masse. „ Das ist nicht die Lebenswirklichkeit eines großen Teils der Bevölkerung“, kritisiert Marco Lang, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Württemberg. Allein die Gasumlage belaste die Haushalte in höherem Maße als sie durch mögliche Einsparungen entlastet würden. „Ganz konkret und kurzfristig brauchen wir eine Übergewinnsteuer statt einer Gasumlage“, findet er. Ein Preisdeckel für Strom und Gas für die Grundversorgung solle Bestandteil der Daseinsvorsorge werden. Lang lenkt den Blick auch auf die Menschen, die heute in Pflegeeinrichtungen leben. Denen drohten Mehrkosten. „Die aktuellen Kostensteigerungen bei den Sachkosten liegen in Größenordnungen von bis zu mehreren Tausend Euro pro Bewohner und Jahr.“
Wissen und machen sind zwei verschiedene Dinge
Zurück am Stand in Eppingen werden auch positive Stimmen laut. „Klasse“ findet Christoph, ein 28-jähriger Kölner, der mal wieder in der alten Heimat einen Besuch macht, den Stand und das Programm. Er strampelt entspannt auf einem der beiden „Energiebikes“ und verfolgt mit Genugtuung, wie schnell er damit zwei Handys aufladen kann. Die Tipps aus dem Energiesparbüchle findet er angemessen. Auch wenn ihm die Ratschläge ihm größtenteils bekannt vorkommen, stellt er die Frage:, „Macht man’s auch?“.