Ästlinge gehören nicht ins Tierheim: Tierheimsprecherin Petra Veiel mit der kleinen Rabenkrähe. Sie wurde kürzlich im Tierheim abgegeben, obwohl dies gar nicht nötig gewesen wäre. Foto: Tierheim

Ins Tierheim in Stuttgart-Botnang werden derzeit verstärkt Jungvögel gebracht, weil viele denken, dass die Tiere aus dem Nest gefallen sind. Doch was eigentlich gut gemeint ist, schadet den Vögeln. Tierheimsprecherin Petra Veiel erklärt, warum das so ist.

Stuttgart - Im Tierheim Stuttgart-Botnang haben sie aktuell alle Hände voll zu tun. Allein am Freitag sind innerhalb von zwei Stunden vier Jungvögel abgeliefert worden. Im Schnitt sind es täglich vier bis sechs. Grund hierfür: Viele Menschen glaubten, wenn sie einen jungen Vogel am Boden sähen, er sei aus dem Nest gefallen. „Doch es ist die Zeit der Ästlinge“, erklärt Tierheimsprecherin und Tierlehrerin Petra Veiel. Die jungen Vögel werden flügge, wagen sich aus dem Nest und bleiben erst einmal auf dem Boden sitzen. Manche können bereits kurze Strecken fliegen oder stehen davor, ihre Flugkünste zu erlernen. Amseln beispielsweise verlassen das Nest, noch bevor sie richtig fliegen können. Sie bewegen sich eher flatternd und hopsend in den ersten Tagen fort. Meist brauchen sie dann noch zwei bis drei Tage, bis sie flugfähig sind.

In Gefangenschaft sind die Chancen der kleinen Rabenkrähe schlechter

Während dieser Zeit werden sie in der Regel weiterhin von ihren Eltern versorgt. Deshalb sei es falsch, die Jungtiere der Natur zu entnehmen, erklärt Veiel mit Hinweis auf eine „entzückende kleine Rabenkrähe“, die sie gerade angeliefert bekommen hat. Die Eltern seien auf dem Baum gesessen und hätten geschimpft. Der Jungvogel hätte in diesem Fall nicht ins Tierheim gemusst. „Uns nimmt so ein angelieferter Vogel Kapazitäten und dem Vogel einen guten Start ins Leben“, meint Veiel. In Gefangenschaft seien deren Chancen schlechter, als wenn sie weiterhin von den Eltern aufgepäppelt würden. „Ich finde es schade, das gesunde Tier der Natur zu entnehmen. Es ist gut gemeint, aber die Menschen sind zu wenig informiert“, sagt sie. Manchmal komme es auch vor, dass sie im Tierheim beschimpft würden, wenn sie rieten, den Vogel sitzen zu lassen, da er keine Hilfe brauche.

Auch bei Mauerseglern besser nachfragen

Eine andere Situation könne bei Mauerseglern vorherrschen. Es gebe davon relativ viele in Stuttgart. Sie säßen oft ganz oben unter den alten Dächern. Wenn es dort zu heiß wird, springen sie laut Veiel nach unten, damit sie im Nest nicht verschmoren. „Auch da müssen die Leute nachfragen und sich kompetent beraten lassen“, ergänzt die Expertin.