Knapp 1000 Besucher kleben Jürgen von der Lippe an den Lippen. Die Stadthalle ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als der Komiker im Hawaii-Hemd sein Stelldichein gibt.
Vor der Show am Dienstagabend ist die Schlange vor der Bar lang so lang, dass man meinen könnte, ein „Vorglühen“ für die Öffnung der Lachschleusen wäre förderlich. In diesem Fall nicht nötig, wie es der anschließende dreistündige „Gute Laune“-Auftritt des nordrhein-westfälischen Comedians noch zeigen sollte.
Die Besucher Bianca und Michael Mägerle sind eigens dafür aus Kirchberg an der Murr im Rems-Murr-Kreis angereist. Bereits zum dritten Mal wollen sie von der Lippe erleben. „Seine Art des Humors ist bodenständig, nicht abgehoben und aus dem Leben gegriffen“, sind sie sich einig. Auch der ehemalige Sindelfinger Gastronom und Hotelier Wolfi Knote freut sich auf von der Lippe: „Wenn der schon mal in meine Heimatstadt kommt, will ich dabei sein. Ich kenne ihn bislang nur aus dem Fernsehen und liebe seinen trockenen Humor. Mir gefällt zum Beispiel wie er das Thema Mann/Frau gewitzt und einzigartig auf den Punkt bringt“.
Biolärm ist nicht etwa Pupsen
Darauf müssen Knote und die restlichen 950 Besucher auch nicht lange warten. „Wir werden heute Abend ausschließlich über Liebe sprechen“, stellt von der Lippe gleich am Anfang klar. Und bald redet der 74-jährige Entertainer schon über liebe, gütige, alte Männer, bei denen die Testosteronproduktion zurückgeht und bereits die Altersmilde eintritt; nicht ohne den Hinweis, dass der Verlauf bei den Frauen umgekehrt wäre.
Ein weiteres Thema scheint ihm viel Freude zu bereiten: Die Jugendsprache. „Du Lauch!“ würde heute schon fast nicht mehr gehen, da es für „Grüne“ ein Frontalangriff wäre. Er lässt das Publikum raten, was sich hinter den Ausdrücken versteckt. Pupsen sei wohl mit „Biolärm“ gemeint, vermutete eine Besucherin, woraufhin diese aufgeklärt wird, dass es sich um Vogelgezwitscher handle.
„Fußläufig erreichbar“ ist nicht okay
Zur Hochform läuft von der Lippe auf, als er dem Thema „Gender-Politik“ in seiner unnachahmlichen Art besonders viel Raum gibt. „Annalena, unser Außenkobold“ spräche „Steuerinnenzahler“ an und Scholz hätte eine „Krankenschwesterin“ ob ihres schweren Berufes bedauert. Aber auch andere Gleichstellungsbestrebungen bekommen ihr Fett ab. Die Beschreibung von „…ist fußläufig zu erreichen“ ginge ja auch nicht mehr, denn ein Rollstuhlfahrer könnte sich gekränkt fühlen, genau so wie beim Begriff „Begehbarer Kleiderschrank“.
Dass es bei der Show dann nicht ausschließlich um das Thema Liebe geht, scheint niemanden zu stören, denn von der Lippes Spitzen zu nahezu allen aktuellen Themen lassen zwischen den Lachtränen kaum Platz, über irgendwelche Versprechungen zu sinnieren. Fernsehshows wie „Wer wird Millionär?“ oder „Germany’s Next Topmodel“ werden ebenfalls so auf die Schippe genommen, dass der Besucher gefordert wird, um die Ecke zu denken, bis der Groschen fällt.
Der Besucher trocknet seine Lachtränen in der Pause
Es solle von den Programmgestaltern den schüchternen jungen Mädchen doch endlich einer sagen, was bei den Castings ein ehrliches Statement wäre. Zum Beispiel, dass es eine Show wäre, wo es ums Äußere ginge und es sowieso keinen Sinn machen würde, an den Verstand der Zuschauer zu appellieren.
Kurz vor der Pause greift der Comedian noch zur Gitarre und kommt mit einem Liebesmedley zurück zum Thema: „Du bist das Wunder – ich bin die Tüte!“, um danach noch auf seine Bücher hinzuweisen, die im Foyer käuflich zu erwerben wären. Er würde auch Widmungen reinschreiben wie zum Beispiel: „Liebe Erbtante – hier ein Buch für dich zum Totlachen“. Im Foyer stehen Besucher Knote noch die Tränen im Gesicht: „Das Thema Sex bringt er so charmant rüber! Manche erkennen sich wohl selbst!“
Gebärende statt Mutter auf die Schraube?
Als Kalle von Malle betritt von der Lippe in Rocker-Kluft hernach die Bühne und erzählt von seinen komischen Flugerlebnissen. Immer wieder wird das Publikum einbezogen, zum Beispiel indem er fragt, was der Lieblingsfilm der Ärzte wäre. „Stirb langsam“ ist zwar eine gute Idee aus dem Publikum, allerdings sei es „Bambi“, ein Reh-Animationsfilm.
„Wir leben in sprachlich wilden Zeiten“, konstatiert er, als er die Gendersprache nochmals aufgreift und erklärt, warum eine Frau nicht auf Menstruierende oder Gebärende reduziert werden solle. Eine „Jungmenstruierende“ wäre in etwa gleich doof wie eine „Urgroßgebärende“ oder wenn man im Baumarkt für eine Schraube eine passende Gebärende suchte. „Guten Morgen liebe Sorgen“ ist dann die letzte Mitsingaktion. Die Sorgen waren nach mehreren Zugaben denn auch weggewischt. Bleibt nur noch ein „von der Lippe sei Dank!“