1949 wurde das Volksbildungswerk Leonberg gegründet, das seit dem Jahr 1965 als Volkshochschule firmiert. Mehr denn je sei sie wichtig, sagt der Leiter Uwe Painke mit Blick auf die Veränderungen in der Welt und in der Gesellschaft.
Die Volkshochschule Leonberg ist in ihr 151. Semester gestartet und kann somit auf 75 Jahre ihres Bestehens blicken. 1949 war das Jahr gewesen, in dem Westdeutschland den Weg der Demokratie eingeschlagen hat. Es ist kein Zufall, dass im zeitlich nahen Umfeld zum Schaffen des Grundgesetzes und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland auch das Thema Bildung neu aufgestellt wurde. Das beinhaltete die Erwachsenenbildung und -fortbildung.
Überall im Südwesten kam es 1949, also vor gut 75 Jahren, zu Gründungen von Volkshochschulen (VHS), so auch neben dem sogenannten Volksbildungswerk Leonberg Schulen in Weil der Stadt und in Korntal-Münchingen. Bereits 1947 war die VHS Herrenberg ins Leben gerufen worden. Die Entstehung der Volkshochschulen in Deutschland hängt eng mit der Etablierung des demokratischen Staatswesens nach den verheerenden Kriegserfahrungen zusammen. Das Versprechen im Grundgesetz, eine „Bildung für alle“ zu ermöglichen, ist damit eng verknüpft. Denn ein solides Wissensfundament soll die Bürgerinnen und Bürger demokratisch mündig und handlungsfähig machen.
Bescheidenes Angebot zum Start
„Die Anfänge hier in Leonberg waren zunächst beschwerlich und von Ehrenamt geprägt“, hat der heutige VHS-Leiter Uwe Painke bei Recherchen herausgefunden. Entsprechend bescheiden präsentierte sich das Angebot vor 75 Jahren. Gerade mal 18 Veranstaltungen sind im ersten Programm aufgeführt. Inzwischen sind es fast 1300 pro Jahr. In einem Gemeinderatsprotokoll von einst ist vermerkt, dass das Gremium einen ersten Zuschuss über 200 Mark bewilligte. Der Landkreis Leonberg steuert dieselbe Fördersumme bei. 1950 wird das Volksbildungswerk mit zusätzlichen Fördergeldern ausgestattet und damit beauftragt, in möglichst vielen der 27 Kreisgemeinden ein Bildungsprogramm zu organisieren.
Die heutigen vier Außenstellen Renningen, Rutesheim, Weil der Stadt und Weissach sind ein Erbe des ehemaligen auf Kreisebene organisierten Volksbildungswerks, das bis zur Kreisreform in den 1970er Jahren noch 13 Außenstellen unterhielt.
In den Anfangsjahren leitete der pensionierte Lehrer Karl Hald das auf Kreisebene organisierte Volksbildungswerk. Im Landratsamt waren zunächst bei Sitzungen auch Vertreter der amerikanischen Besatzungsmacht beteiligt. Diese trug auch die Kosten der Einrichtung zu einem guten Teil mit. In einem Bericht steht, dass die von der Besatzungsmacht in Aussicht gestellte Unterstützung und Förderung „gerade für das Volksbildungswerk Leonberg dankbar angenommen“ werde.
Schon immer wurde die Einrichtung indes überwiegend von ihren Nutzerinnen und Nutzern finanziert. Allerdings gab es damals die Aufforderung, freiwillig so viel zu geben, wie es die individuellen Verhältnisse zulassen. 1950 heißt es: „Diejenigen unserer Hörer, die auch den Mindestbeitrag von 20 bis 50 Pfennigen nicht aufbringen können, sollen trotzdem unsere Veranstaltungen weiter ohne Hemmungen besuchen.“
Schon das erste, recht überschaubare Programm hatte eine erstaunliche Bandbreite. So war zum Thema „Was bedeutet Gott für unser persönliches Leben heute?“ der Schriftsteller und Theologe Albrecht Goes eingeladen, der als Pfarrer in Gebersheim wirkte. Der erste Kursplan wies neben aus heutiger Sicht aus der Zeit gefallenen Angeboten wie der Vortragsreihe „Der deutsche Mensch in der Geschichte“ oder einem Kurs in Schreibmaschinenschreiben auch vieles auf, was aktuelle Programme prägt: Sprachkurse in Englisch und Französisch, Geografie und Länderkunde, Psychologie und Pädagogik, Geschichte, Gesellschaftspolitik und Religion, Kunsttheorie und auch kreative Praxiskurse. Für letztere konnte der renommierte Bildhauer und Stuttgarter Kunstprofessor Fritz von Graevenitz gewonnen werden. Auch der Leonberger katholische Pfarrer Monsignore Anton Kner gehörte zu den Vortragenden.
Studienfahrten zur Völkerverständigung
Vor 75 Jahren standen auch Musik, Literatur und Gesundheitskurse wie Gymnastik im Kursplan. Schon früh in den 1950er Jahren wurden Studienfahrten ein fester Teil. Exkursionen unter anderem nach Paris und Rom sollten in den Nachkriegsjahren zu neuen, positiven nachbarlichen Begegnungen und damit zur Völkerverständigung beitragen.
In den späten 1950er Jahren übernahm Elisabeth Strohbeck-Wiegandt, die zugleich Leiterin der städtischen Bücherei war, die Leitung des Volksbildungswerkes. Es war in den Räumen des alten Postamts im Eckhaus der Grabenstraße 2 beheimatet, in der auch die städtische Volksbücherei von Leonberg untergebracht war. In dem inzwischen abgerissenen Gebäude war allerdings wenig Platz, sodass die meisten Kurse in Schulräumen stattfanden.
Herausforderungen wie wohl nie zuvor
1965 übernahm für 25 Jahre Erika Winkler die Leitung der Einrichtung unter dem neuen Namen Volkshochschule Leonberg. In ihrer Ära entwickelte sich die VHS zu einer modernen Bildungseinrichtung und vervielfachte ihr Angebot. Die Einrichtung zog in die Räume der heutigen Apotheke neben dem Alten Rathaus um, in den 1970er Jahren dann in die Lindenberger Straße 16, wo nun die Leonberger Jugendmusikschule residiert.
Mit der Kreisreform entstand eine Volkshochschule für den nördlichen Kreis Böblingen mit Außenstellen in Renningen, Rutesheim, Weil der Stadt und Weissach. Noch immer wird fast ein Drittel des Programms in den Außenstellen geboten. Seit 1986 ist die Volkshochschule in der Neuköllner Straße zu finden. Die Leitung ab 1990 hatte für gut 18 Jahre Peter Pfitzenmaier inne. Er führte die Einrichtung auch ins digitale Zeitalter, unter seiner Leitung steigerten sich die Teilnehmerzahlen und die Unterrichtsangebote deutlich.
Rekorde nach der Corona-Zeit
Seit 2009 ist Uwe Painke der Leiter der Volkshochschule Leonberg. „Heute sind die Herausforderungen vielleicht sogar größer als je zuvor in der Geschichte, aber zugleich ist unser Angebot sowohl in seiner Vielfalt als auch in seinem Umfang größer als je zuvor“, sagt er. Nach dem Einbruch während der Coronapandemie erziele die VHS wieder Rekorde: Rund 1300 Veranstaltungen im Jahr, mehr als 30 000 Unterrichtsstunden und etwa 17 000 Teilnehmer. „Nie war die Volkshochschule gefragter, zugleich war sie nie wichtiger und wertvoller als in den Umbrüchen, die unsere Gesellschaft derzeit prägen und bedrängen“, sagt Painke.
Die VHS Leonberg
Öffnung
Die Öffnungszeiten der Volkshochschule Leonberg sind montags bis freitags von 9 bis 11.30 Uhr, dienstags von 14 bis 16.30 Uhr und an Donnerstagen von 14 bis 18 Uhr.
Kontakt
Anmeldungen sind schriftlich möglich in der Neuköllner Straße 3 in Leonberg und online unter www.vhs.leonberg.de. Telefonisch zu erreichen ist die Volkshochschule unter 0 71 52/ 9 90 49 30.