Eindrückliche Bilder und starke Emotionen begleiten das Ende der Dreharbeiten zum Kinofilm über den Ballettvisionär John Cranko auf der Solitude.
Als würde der Mond einen Ausflug zu John Cranko auf die Solitude machen, schwebt ein riesiger Lichtballon im Nachthimmel über der Wiese und dem angrenzenden kleinen Friedhof, auf dem der berühmte Choreograf und Vater des Stuttgarter Ballettwunders seit 50 Jahren begraben liegt. Ein nie gesehenes Bild, das so auch nicht wiederkehren wird. Es ist das von Regisseur Joachim A. Lang entworfene Schlussbild des John-Cranko-Films. Und zugleich der letzte Drehtag in Stuttgart. Ein großes Finale.
Ballett auf der Solitude-Wiese
Der Ballon dient als Lichtquelle. Auf dem Friedhof legen an diesem späten Donnerstagabend nacheinander die noch lebenden Weggefährten des Ballettvisionärs Rosen auf Crankos Grab: Marcia Haydée, Egon Madsen, Birgit Keil, begleitet jeweils von den Tänzern, die sie im Film verkörpern: Elisa Badenes, Henrik Erikson und Rocio Aleman. Gleichzeitig tanzen Friedemann Vogel als Heinz Clauss und andere Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie auf der Wiese zu Musik von Johannes Brahms Ausschnitte aus Crankos Ballett „Initialen R.B.M.E.“, die er für eben jene Weggefährten – Birgit Keil, Marcia Haydée, Egon Madsen und den 2012 verstorbenen Richard Cragun – choreografiert hat als Ausdruck ihrer Verbundenheit. Ein Gänsehautmoment. Der Zauber löst sich auf, als der Applaus des Regisseurs und der Filmcrew aufbrandet.
Mit diesem Bild – dem Lichtballon über dem Solitudefriedhof und dem Auftritt von Tänzerinnen und Tänzern aus mehreren Generationen – finden Dreharbeiten in Stuttgart ihren Abschluss, die von vielen Emotionen begleitet waren. Der frühere Ballettintendant Reid Anderson, der den von Zeitsprung Pictures in Ko-Produktion mit dem SWR produzierten Film als künstlerischer Berater begleitet, zeigt sich von den Abschlussszenen auf der Solitude ergriffen: „Viele Erinnerungen kommen zurück.“ Den britischen Schauspieler Sam Riley, der John Cranko verkörpert, findet er „grandios“: „Er ist wie John.“ Der Film soll eine Liebeserklärung an den britischen „Ballettvisionär“ sein, der in seinem Privatleben mit „inneren Dämonen“ kämpfte und 1973 als 45-Jähriger auf einem Rückflug aus den USA verstarb.
Die Sonne strahlt wie bestellt
Vor der Szene am Friedhof wird auf der Zufahrt zu Schloss Solitude die Episode gedreht, in der sich John Cranko und seine Muse Marcia Haydée ein letztes Mal begegnen. Auch hier entstehen eindrückliche Bilder: Sam Riley und Elisa Badenes schreiten in der Kastanienallee vor der Pferdekoppel aufeinander zu, reden lange miteinander – ehe Riley alias Cranko seines Weges geht. In dieser Zeit ruht der Verkehr. Auto- und Radfahrer warten geduldig, und die Sonne strahlt wie bestellt. „Es gibt einen Gott“, sagt Reid Anderson lächelnd. „Manchmal jedenfalls.“ Als die Szene im Kasten ist, rutscht eine Mitarbeiterin aus. Riley und Badenes eilen herbei, helfen ihr auf. Man ist zurück im richtigen Leben.
Vorfreude auf einen „Film voller Poesie“
Nach 25 Drehtagen enden die Aufnahmen an diesem Wochenende offiziell. Bei einem Gastspiel des Stuttgarter Balletts in Ludwigshafen werden ergänzende Szenen aufgenommen. Die Stuttgarter Kompanie um Intendant Tamas Detrich, die einen Monat lang ihre Abläufe den Dreharbeiten angepasst hat, ist voll des Lobes über das, was Regisseur Joachim A. Lang sich ausgedacht und umgesetzt hat. Vivien Arnold, Sprecherin des Stuttgarter Balletts, freut sich auf einen „Film voller Poesie“. 2024 soll er in die Kinos kommen.