Adonis (Michael B. Jordan) lässt sich auf einen harten Kampf ein. Foto: Warner Bros. - Warner Bros.

30 Jahre zuvor hat der Russe Ivan Drago den US-Boxer Apollo Creed in „Rocky IV“ im Ring getötet. In Steven Caples Boxer-Drama „Creed II – Rocky’s Legacy“ kämpfen nun die Söhne.

EsslingenEs gibt Filmszenen, die wird man sein Lebtag nie vergessen. Weil sie zu Herzen gingen. Weil sie uns staunen ließen. Weil sie uns zum Lachen brachten. Oder weil sie uns tief erschüttert haben. Eine dieser unvergesslichen Szenen gab es im Boxer-Drama „Rocky IV“. Da stieg Apollo Creed, der Ex-Rivale und später beste Freund des „italienischen Hengsts“ Rocky Balboa in einem Schaukampf gegen die russische Kampfmaschine Ivan Drago in den Ring, um ein für allemal die Überlegenheit der USA gegenüber der anderen Supermacht Sowjetunion unter Beweis zu stellen. Ein gezielter Schlag von Drago hat damals den Kampf und das Leben von Apollo Creed beendet. Und wer diesen Streifen gesehen hat, wird nie vergessen, wie der alternde Boxer auf die Bretter gekracht ist. Mehr als 30 Jahre hat sich dieser traumatische Moment noch immer tief in die Erinnerung von Apollos Sohn Adonis Creed eingebrannt. Und er nutzt in Steven Caples neuem Film „Creed II – Rocky’s Legacy“ die Chance, diese alte Rechnung zu begleichen.

Adonis Creed (Michael B. Jordan, Warner Bros. Foto rechts) ist endlich dort angekommen, wo sein Vater Apollo vor vielen Jahren bereits war: auf dem Weltmeister-Thron. Doch der Erfolg hat einen Makel: Sein Gegner hatte seine besten Zeiten lange hinter sich, und manche bezweifeln gar, ob es Adonis auch gegen einen stärkeren Gegner geschafft hätte. Das bleibt auch dem einstigen russischen Box-Star Ivan Drago (Dolph Lundgren) nicht verborgen. Er selbst ist in seiner Heimat längst nicht mehr so angesehen wie zu seinen besten Zeiten. Mittlerweile hat sein Sohn Viktor (Florian Munteanu) die Boxhandschuhe übergestreift – und ähnlich viel Dampf in den Fäusten wie einst sein Vater. Ivan Drago wartet schon lange auf die Chance, der Tristesse seiner heruntergekommenen russischen Plattenbausiedlung zu entkommen und ins Rampenlicht zurückzukehren. Deshalb fordert er nun in einer spektakulären Pressekonferenz Adonis Creed zum Kampf gegen seinen Sohn Viktor heraus. Die Nachricht schlägt in der Fachwelt wie eine Bombe ein. Doch in Adonis’ engstem Umfeld erinnert man sich noch viel zu sehr an jenen schrecklichen Moment, als Apollos Kopf auf die Bretter krachte. Rocky Balboa (Sylvester Stallone), der Adonis als Trainer und väterlicher Freund unter seine Fittiche genommen hat, ist nicht der einzige, der ihm heftig abrät: „Viktor kennt von klein auf nichts als Hass. Er ist gefährlich. Sein Vater hat Dinge in mir zerstört, die nie wieder heilen. Das ist es nicht wert.“ Und als ihm Adonis erklärt, er habe keine andere Wahl, wenn er sein Ansehen als Boxer nicht verlieren wolle, kontert Rocky cool: „Das hat Dein Vater auch gesagt, und dann ist er in meinen Armen gestorben.“ Deshalb will Rocky auch nicht als Trainer in Adonis’ Ecke stehen, wenn es zum Kampf kommen sollte.

Trotzdem lässt sich der junge Boxer nicht von seinem kühnen Vorhaben abbringen – auch wenn er eigentlich ganz andere Probleme hat: Seine Verlobte Bianca (Tessa Thompson) erwartet ein Kind von ihm und hat größte Sorgen, ob der Nachwuchs gesund zur Welt kommen wird. Doch Adonis bleibt bei seiner Entscheidung, weil er es sich in den Kopf gesetzt hat, die tragische Geschichte seiner Familie neu zu schreiben. Und weil er überzeugt ist, dass er mit jeder Runde im Ring auch mehr über sich selbst erfahren kann. So muss sich Rocky entscheiden, ob er Adonis gegen seine eigene Überzeugung in diesen schweren Stunden dennoch beistehen muss, weil wahre Freunde in Momenten der Bewährung zusammenhalten müssen.

Die Story von Rocky, dem anfänglichen Loser, der irgendwann erkennt, dass sich jeder im Leben irgendwie durchboxen muss, war ein Glücksfall für Hollywood: Den ersten fünf „Rocky“-Filmen der Jahre 1976 bis 1990 folgte 2006 unter dem Titel „Rocky Balboa“ die Geschichte des gealterten „italian stallion“ – die Drehbücher steuerte zu allen Filmen Hauptdarsteller Sylvester Stallone bei. Beim ersten Spin-off „Creed – Rocky’s Legacy“ hatte dann Ryan Coogler das Heft in der Hand, ehe nun wieder Stallone bei „Creed II – Rocky’s Legacy“ am Drehbuch mitwirkte. Und genau wie sein Rocky war auch der Schauspieler selbst mit der Figur des Ivan Drago noch lange nicht fertig. Den Gedanken von Schuld, Verstrickung und Verantwortung trägt er nun auch in die nächste Generation weiter. Denn er ist überzeugt, dass sich das Leben immer und immer weiterdreht – und dass sich vieles genauso zuverlässig wiederholt.

Stallone hätte es sich leicht machen und die alten Rollenklischees einfach weitertragen können. Doch er hat versucht, die Geschichte des Ivan Drago weiterzudenken und nicht in den alten Stereotypen des Kalten Krieges, die „Rocky IV“ bestimmt hatten, hängenzubleiben. Drago ist nicht mehr die stählerne Kampfmaschine von damals, für deren Erfolg dem Sowjetregime nichts zu aufwendig und zu teuer war. Sein Leben hat den alten Glanz verloren. So, wie sich Rocky ganz am Anfang zwischen Schweinehälften im Schlachthof und heruntergekommenen Häuserzeilen für den ersten großen Kampf seines Lebens fit gemacht hatte, so müssen sich nun Viktor und Ivan Drago unter längst nicht mehr so optimalen Bedingungen wie zu Sowjetzeiten auf das ultimative Duell der nächsten Boxer-Generation vorbereiten.

Dieses Duell konfrontiert Adonis nicht nur mit einem knallharten Gegner, sondern auch mit sich selbst, seinen eigenen Zweifeln – und mit den Dämonen seiner Vergangenheit. „Ich fand, das wäre ein interessantes Thema, das in seinen Charakteren und seinem Spannungsbogen etwas von Shakespeare hat“, sagt Sylvester Stallone. Und auch wenn Regisseur Steven Caple in spektakulären Szenen die Fäuste seiner Boxer fliegen und die Zuschauer bei manchem Schlag den Atem anhalten lässt, geht es in „Creed II“ wie in allen „Rocky“-Filmen vor allem um eines: die Bedeutung von Freunden und Familie. Denn am Ende sind es eben doch nur ganz wenige, auf die man sich immer verlassen kann.

In Steven Caples Boxerdrama „Creed II – Rocky’s Legacy“ will der Sohn des im vierten „Rocky“-Film im Ring getöteten Ex-Weltmeisters Apollo Creed späte Rache nehmen. Und Rocky steht vor der schweren Entscheidung, ob Freundschaft mehr zählen muss als Vernunft.