Unter Größen: Wallace Roney (Mitte) mit dem Jazzpianisten Chick Corea und dem Saxofonisten Steve Garrett 2016 in Italien. Foto: Imago/Pacific Press Agency

Covid-19 hat ein weiteres Opfer in der Musikwelt gefordert: den Trompeter Wallace Roney. Der Jazzer wurde von Kritikern dafür getadelt, wie sein Vorbild Miles Davis zu klingen – nicht aber von Davis selbst.

Stuttgart - Einen ganz eigenen Ton zu entwickeln, so zu klingen wie niemand sonst – das ist eigentlich das Ideal von Jazzmusikern. Der Trompeter Wallace Roney hat diesen Anspruch auf den Kopf gestellt. Er hat sich selbst so in Musik und Ton von Miles Davis wiedergefunden, dass er – oft jedenfalls – so klingen wollte wie Davis. Was ihm auch so gut gelang wie keinem sonst.

Roney, der nun am 31. März 2019 im Alter von 59 Jahren einer Corona-Infektion erlegen ist, hat es oft schwer gehabt mit den Kritikern. Die sahen keinen Sinn darin, dass einer – wie sie es sahen – sich selbst aufgab, um einen anderen zu verdoppeln. Mancher kam sich vielleicht auch gefoppt, entlarvt, gedemütigt vor, wenn er mit seinen Profiohren aufs erste Mal nicht unterscheiden konnte, ob da gerade Davis oder Roney spielten.

Neben Miles Davis auf der Bühne

Wer damit gar keine Probleme hatte, war Miles Davis selbst, der Roney als einzigen persönlichen Jünger je akzeptierte und ihn 1991 beim Montreux Jazz Festival auf die Bühne holte. Was aus mindestens zwei Gründen hoch erstaunlich war: Erstens konnte der virtuose Roney in technisch sehr schwierigen Passagen, die Davis selbst an seine Grenzen brachten, wie ein souveränerer Davis klingen. Und zweitens scheute Roney die für Davis prägenden Experimente, Crossovers, Rockaneignungen.

Wallace Roney war ein im Kern neokonservativer Jazzer, der die Musik von Miles Davis und John Coltrane aus den 50er und 60er Jahren für das Maß aller Dinge hielt. Mit anderen Worten: Davis hätte zürnen können, hier wolle ihn jemand auf eine frühere Entwicklungsstufe festnageln.

Das Glück im anderen

Aber Davis sah das nicht so. Er erkannte, was den Kritikern entging: dass man das Glück manchmal in einem anderen Menschen viel besser finden kann als in sich selbst. Eine Erkenntnis, die man eigentlich keinem Liebenden erklären muss. Davis bemerkte ja auch, was Roney-Kritiker geflissentlich überhören wollten: dass der 34 Jahre jüngere Roney keinesfalls immer den attacca-losen Davis-Ton komplett nachahmte, dass er damit spielte, schon mal stärker zupackte, ihn variierte und anders kolorierte.

Wer über das erste Erstaunen – und Befremden – hinweg kommt, dass man Roney mit Davis gelegentlich verwechseln konnte, der hört etwas anderes: Dass hier einer im Ton eines Vorbilds ganz eins mit sich war, dass Wallace Roney zu einer Ruhe und Zufriedenheit gefunden hatte, die im Jazz nicht selbstverständlich ist. Wie man, wenn man ein bisschen Zeit mitbringt, in den folgenden Beispielen nachhören kann.

„Why should there be Stars“

„Time after Time“

„Metropolis“