Ob Millenials im Tanzrausch, Babyboomer mit Dauerkarte oder rockende Rentner – die Jazz Open verbinden bei großartigen Konzerten Generationen auch in harter Zeit. Unser Kolumnist beschreibt das ganz besondere Miteinander eines Festivals mit Weltklasse.
Stuttgart - Ein Witze-Klassiker wird auf der Empore der Jazz Open erzählt. Ein staubiger Cowboy steigt in den Bus. Als ihn der Fahrer anschaut, knarzt er: „Django zahlt heute nicht.“ So geht das tagelang. Der Fahrer alarmiert schließlich die Polizei. Die will wissen, warum der Mann nicht zahlt. Seine Antwort: „Django hat Monatskarte.“
Hans-Jochen Arnold, Chef einer Glasveredler-Firma, ist nicht Django, aber er zahlt auch nicht. Denn Arnold hat Dauerkarte.
Etliche Freunde von ihm haben die Dauerkarte – Jahr für Jahr aufs Neue. Noch bevor sie das Programm der Jazz Open für die B-Ausgabe des Festivals kannten, das erstmals pandemiebedingt im veränderten Rahmen im September statt im Juli stattfindet, war der gesamten Clique klar, sich wieder das Business-Ticket für alle Tage zu kaufen. Der Mut von Veranstalter Jürgen Schlensog, in konzertarmer Zeit ein Zeichen für den Neustart zu setzen, müsse belohnt werden! Macht 990 Euro für fünf Tage auf dem Schlossplatz und 700 Euro für fünf Tage im Alten Schloss. Mit den übertragbaren Festivalpässen ist alles inklusive: Essen, Getränke, Tribünenplätze, die „Business Seats“ heißen, Regenschutz.
„Das Festival hat sich sensationell entwickelt“
Für über 3000 Euro könnte ein Paar schön verreisen. Die zehn Tage bei den Jazz Open sind für den 58-jährigen Arnold und seine Frau Maryvonne Arnold aber wie Urlaub. „Das Festival hat sich sensationell entwickelt“, schwärmt der Unternehmer aus Remshalden, „und hat heute Weltniveau – auch in den schweren Zeiten für die Kultur.“ Der Einsatz von Schlensog und seinem Team trage dazu bei, dass Stuttgart immer wieder zur Kulturstadt Nummer eins in Deutschland gewählt wird. „Das muss unterstützt werden“, findet Arnold, „gerade jetzt, wo die Leute zögerlich zurück zur Kultur kommen.“
Der Mann aus dem Remstal ist bei den Jazz Open seit Anfang an dabei. Kein Jahr hat er ausgelassen. 1994 hat das Festival klein und puristisch auf einer Freifläche vor der Liederhalle begonnen und sich seitdem immer weiter für neue Musikrichtungen gern mit Popbezug geöffnet – ganz nach dem Motto „Be Jazz, be Open“. Sein allererstes Konzert des Festivals und der Beginn einer lebenslangen Freundschaft war die Premiere mit Randy Crawford. Arnold fällt es schwer, seine Höhepunkte in 27 Jahren aufzuzählen. „Das sind so viele“, sagt er. Auch in diesem Jahr beweise das Festival, wie treffsicher das Programm sei, wie überraschend Musik sein könne, dabei tief berühre und Menschen verbinde.
Der Blick auf leere Tribünensitze schmerzt
Der Blick auf leere Tribünensitze bei Ben Howard schmerzt ihn. „Dank der Impfungen muss man doch keine Angst mehr haben, Konzerte zu besuchen“, findet er. Bevor er geimpft wurde, hat auch Arnold seine Zeit „meist nur bei der Familie verbracht.“
Jetzt ist er froh, wieder rauszukommen, das Live-Erlebnis ist gleich noch viel schöner. Etliche Freunde seiner Clique hat er bei den Jazz Open kennen gelernt. Und es freut ihn, so viele junge Menschen im Stehplatzbereich vor der Bühne zu sehen. „Vor 27 Jahren, als wir jung waren, haben mich ältere Menschen schwer beeindruckt, die bei den Jazz Open ausflippten“, erinnert er sich, „die waren so alt, wie wir heute sind.“ Werden die Besucherinnen und Besucher aus der Generation Y, wie man die Millennials nennt, die zwischen den frühen 1980ern und späten 1990ern geboren sind, die nun unten bei Ben Howard tanzen, eines Tages wie Arnolds Clique oben auf der Business-Empore stehen und sich die Festivalpässe leisten können?
Der Veranstalter warnt vor der Spaltung
Die da unten, die da oben – vor einer Spaltung warnt Veranstalter Jürgen Schlensog. „Bei uns gibt’s keine VIPs“, sagt er, „sondern Business Seats, die von Firmen und Privatleuten gekauft werden.“ Jedes verkaufte Ticket, egal ob für einen Steh- oder Sitzplatz, trage dazu bei, „das Festival in Stuttgart in dieser Qualität machen zu können“.
Wahre Fans wie Hans-Jochen Arnold reden lieber über Musik als über die Vorzüge des Essens oder der Weine. Dies gilt auch für Randi Bubat, die Witwe der 2020 verstorbenen Jazz-Legende Wolfgang Dauner. Am Freitag feiert die Stylistin bei den Jazz Open einen runden Geburtstag. Das schönste Geschenk ist für sie, „in Musik zu versinken“.