Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht auf der Eröffnungsveranstaltung des 22. Ordentlichen Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Foto: dpa/Fabian Sommer

Deutschland hat nach Ansicht seines Präsidenten Frank-Walter Steinmeier Frieden lange als Selbstverständlichkeit betrachtet. Angesichts des Ukraine-Kriegs verlangt er nun „Wille zur Stärke“.

Zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Notwendigkeit der Verteidigung der Demokratie betont. „Wir waren uns zu sicher, dass Frieden, Freiheit, Wohlstand selbstverständlich sind“, sagte Steinmeier angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine am Sonntag beim DGB-Bundeskongress in Berlin. „Dieser Krieg macht uns auf eine brutale Weise klar, dass wir unsere Demokratie schützen und verteidigen müssen - nach innen und nach außen!“

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Die Wehrhaftigkeit der Demokratie sei nicht nur in Sonntagsreden nötig. Die Bundeswehr müsse besser ausgerüstet werden. „Außenpolitik und Diplomatie werden auch in Zukunft gebraucht werden.“ Aber erfolgreich verhandeln lasse sich nur aus einer Position der Stärke heraus. „Diesen Willen zur Stärke müssen wir haben und zeigen“, sagte Steinmeier. An dieser Stelle blieb Beifall bei der Ansprache vor den Gewerkschaftern aus, die sonst mehrfach von Applaus unterbrochen wurde.

Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin

Mit Blick auf die mit Sorgen erwartete Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin anlässlich der Siegs Russlands über das nationalsozialistische Deutschland 1945 sagte Steinmeier: „Wenn Putin am morgigen 9. Mai den Kampf gegen den Nationalsozialismus gleichsetzt mit seinem brutalen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine, dann ist auch das ein perfider und zynischer Missbrauch der Geschichte.“

Steinmeier bezeichnete den Krieg als „Epochenbruch“, der die Europäer zu schmerzhaften Einsichten zwinge. „Der Angriff auf die Ukraine ist auch ein Angriff auf die Idee der liberalen Demokratie und auf die Werte, auf denen sie gründet: Freiheit, Gleichheit, die Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde.“ Aus voller Überzeugung und mit ganzem Herzen stehe Deutschland gemeinsam mit seinen europäischen Nachbarn an der Seite der Ukraine. Eine Lehre des 8. Mai 1945 sei auch, dass sich die Europäer nicht noch einmal durch Nationalismus und Völkerhass auseinandertreiben lassen dürften. „Nationalismus, Völkerhass und imperialer Wahn dürfen nicht die Zukunft Europas beherrschen.“

„Dieser 8. Mai ist ein Tag des Krieges“

Der Bundespräsident erinnerte an die Vision des früheren sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow vom gemeinsamen europäischen Haus. „Aber heute, an diesem 8. Mai, ist der Traum des gemeinsamen europäischen Hauses gescheitert. Ein Alptraum ist an seine Stelle getreten. Dieser 8. Mai ist ein Tag des Krieges.“

Zugleich will Steinmeier nach eigenen Worten Ängsten infolge des Kriegs Raum geben. Viele Deutsche wollten mehr tun zur Unterstützung der Ukrainerinnen und Ukrainer, hätten aber auch Angst, dass Deutschland zur Kriegspartei werden könnte.

Steinmeier sprach mit Blick auf die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg von einer „Zäsur“ in der Weltwirtschaft. „Die Lehre kann doch nur sein: Nicht allein der günstigste Preis auf den Weltmärkten darf darüber entscheiden, mit wem man Geschäfte macht“, sagte Steinmeier unter Beifall der Gewerkschafter.

Steinmeier ruft Gewerkschaften zu mehr Selbstbewusstsein auf

Die Gewerkschaften rief Steinmeier zu Selbstbewusstsein auf. Sie leisteten einen Beitrag zum Gelingen der Demokratie, diese „starke Säule“ müsse auch weitertragen. DGB-Chef Reiner Hoffmann rief Putin anlässlich des Gedenkens ans historische Kriegsende zum Ende des Kriegs auf: „Nutzen Sie diesen Tag des Friedens und beendigen Sie diesen völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine sofort.“ Waffenstillstand jetzt laute die Forderung der deutschen, der europäischen und der internationalen Gewerkschaften weltweit.

Im Rahmen des alle vier Jahre stattfindenden sogenannten Parlaments der Arbeit soll am Montag die SPD-Politikerin Yasmin Fahimi zur neuen DGB-Vorsitzenden gewählt werden. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) würdigte Hoffmann, der seit 2014 an der DGB-Spitze steht: „Du hast in mehr als bewegten Zeiten als DGB-Vorsitzender acht Jahre lang unermüdlich die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten.“