Abschussbereite Raketen der Hisbollah in einem Tunnel unter Beirut. Foto: Imago/Zuma Press Wire

Im Libanon kontrolliert die Hisbollah einen Staat im Staate. Und ihr Arm reicht noch sehr viel weiter. Wir erklären, wer die wichtigsten Unterstützer dieser  islamistischen Organisation sind, wo ihre Ursprünge liegen, wie groß ihr Waffenarsenal ist und woher der tiefe Hass auf Israel rührt.

Israels Militär und die vom Iran unterstützte Hisbollah im Libanon liefern sich seit Monaten Gefechte im Grenzgebiet beider Länder, die sich in den vergangenen Tagen nochmals deutlich verschärft haben.

Die jüngsten Angriffe Israels mit Hunderten Toten und noch mehr Verletzten sind die folgenschwersten seit fast zwei Jahrzehnten und schüren die Sorge vor einer unkontrollierbaren Eskalation in der Region. Zumal Israel gleichzeitig in kriegerische Auseinandersetzungen mit der Terrororganisation Hamas verwickelt ist, einem engen Verbündeten der Hisbollah.


Was ist die Hisbollah? Wo liegen ihre Ursprünge? Was macht sie so gefährlich? Woher rührt der Hass auf Israel? und wie steht sie zum Iran und zur Hamas?

Hisbollah-Ursprünge

So unterschiedlich und untereinander verfeindet islamistische Gruppen wie Ansar al-Scharia, Boko Haram, Islamischer Staat, Jemaah Islamiyah, Hamas, El Kaida oder eben die Hisbollah-Miliz auch sind, sie alle laufen unter dem Oberbegriff Dschihadismus. Im Dschihad, dem Heiligen Krieg und gewaltsamen Kampf zur Verteidigung des Islam gegen Ungläubige (zu denen auch andere Muslime gezählt werden), sehen Islamisten eine religiöse Verpflichtung eines jeden muslimischen Gläubigen.

Ideologische Vorläufer all dieser extremistischen Strömungen sind der im 18. Jahrhundert entstandene Wahhabismus, die Mitte des 20. Jahrhunderts in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft sowie die 1941 in Pakistan entstandene Organisation Jamaat-e-Islami.

Dem militärischen Arm der Hisbollah gehören nach Schätzungen mehrere zehntausend Kämpfer an. Foto: Imago/Xinhua

Hisbollah-Gründung

Die Schiiten-Organisation Hisbollah (wörtlich: Partei Gottes) entstand im Jahr 1982 mit iranischer Unterstützung als Antwort auf die israelische Intervention im Libanon. Seitdem kämpft die Organisation politisch und militärisch gegen den jüdischen Staat. Der Bürgerkrieg, der den Libanon bis heute prägt, dauerte bis Anfang der 1990er Jahre. Verheerende Anschläge und Entführungen während dieser Zeit gehen auf das Konto der Hisbollah.

Hisbollah-Kämpfer bei einer Parade in beirut. Foto: dpa/Marwan Naamani

Hisbollah-Unterstützer

  • Iran: Finanziert wird die Hisbollah hauptsächlich aus Teheran. Der schiitische Staat nutzt die Organisation als Speerspitze, um sich Einfluss nicht nur im Libanon selbst, sondern auch in anderen arabischen Ländern zu sichern, vorneweg in Syrien und im Irak. So hat sich der bewaffnete Arm der Hisbollah zur mächtigsten Miliz in der Region entwickelt. Im syrischen Bürgerkrieg hat sie mit dem Einsatz ihrer Kämpfer maßgeblich geholfen, die Regierung von Baschar al-Assad an der Macht zu halten.
Irans Oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei. Foto: Uncredited/Office of the Iranian Supreme Leader/AP/dpa
  • Hamas: Die Hamas (Abkürzung für „Islamische Widerstandsbewegung“) wurde im Zuge des Palästinenseraufstands Intifada im Jahr 1987 gegründet. Sie befindet sich derzeit im offenen Krieg mit Israel, mit dem es wie die Hisbollah seit Jahrzehnten verfeindet ist. Die Hamas unterstützt die Hisbollah, die allerdings weitaus mächtiger ist als die Terrororganisation aus dem Gazastreifen.

Hisbollah-Einflussbereich

Der Einfluss der Hisbollah reicht tief in den von Krisen gelähmten libanesischen Staat. Die Organisation kontrolliert vor allem den Süden an der Grenze zu Israel, von Schiiten bewohnte Viertel in der Hauptstadt Beirut sowie die Bekaa-Ebene im Norden des Landes. Unter ihrem Generalsekretär Hassan Nasrallah hat sie in der Vergangenheit mit Unterstützung aus Teheran ihren Einfluss stetig ausgebaut.

Soldaten der libanesischen Armee sind an der Stelle im Einsatz, an der ein Gebäude in einem südlichen Vorort von Beirut von einem israelischen Luftangriff getroffen wurde. Foto: dpa/Marwan Naamani

Hisbollah-Politik

Die Hisbollah ist in dem multikonfessionellen Land am Mittelmeer auch im Parlament vertreten. Die Hisbollah engagiert sich karitativ, besitzt aber auch einen militärischen Arm, dem nach Schätzungen mehrere zehntausend Kämpfer angehören. Dieser wird von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft. In Deutschland gilt seit 2020 ein Betätigungsverbot für die gesamte Hisbollah.

Dieses undatierte Bild zeigt den getöteten Hisbollah-Kommandeur Ibrahim Akil (li.) mit einem anderen nicht identifizierten Hisbollah-Kommandeur. Foto: Hezbollah Military Media/ AP

Hisbollah-Ideologie

Ideologisch folgt die Organisation in unzerbrechlicher Treue dem Iran und seinem obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei. Zum Kern der Hisbollah-Weltsicht gehört die feindselige Haltung gegenüber dem Nachbarn Israel, gegen den Nasrallah immer wieder mit Drohungen Stimmung macht.

Hisbollah und Israel

Bei Aufmärschen im Libanon rühmen sich die Hisbollah-Anhänger als „islamischer Widerstand“ und stimmen „Tod für Israel“-Rufe an. Ihren letzten Krieg führten Israel und die Hisbollah im Jahr 2006. Israels Armee bombardierte damals den Flughafen von Beirut und zerstörte große Teile der Küstenstadt und Siedlungen im Süden. 18 Jahre später hätte ein Krieg für beide Seiten noch dramatischere Folgen.

Rauchschwaden sind zu sehen, als das israelische Raketenabwehrsystem im Norden des Landes Raketen aus dem Libanon abfängt. Foto: XinHua/Ayal Margolin/dpa

Hisbollah-Waffenarsenal

Die Hisbollah verfügt über etwa das Zehnfache ihres Arsenals im Vergleich zu 2006. „Jede Stadt und jedes Dorf in Israel ist in Gefahr“, schreibt die US-Denkfabrik Brookings. Die Miliz könnte auch Israels Stromnetz empfindlich treffen.

Experten gehen davon aus, dass die vom Iran massiv aufgerüstete Schiiten-Miliz mehr als 100 000 Raketen, Bomben und andere Flugkörper besitzt, einige sagen 200 000. Die Hisbollah sei der am stärksten bewaffnete nicht-staatliche Akteur der Welt, heißt es von der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS).

Raketentunnel der Hisbollah in Beirut. Foto: Imago/Zuma Press Wire

Das israelische Institute for National Security Studies (INSS) zählt auf:

  • Die Hisbollah verfüge über etwa 40 000 Raketen mit einer kurzen Reichweite von bis zu 20 Kilometern.
  • Kurzstreckenraketen mittlerer Reichweite (bis 100 Kilometer) wie „Fadschr-3“, „Fadschr-5“ und weitere gebe es 80 000.
  • Von Raketen unter anderem des Typs „Fatah-110“ mit bis zu 300 Kilometern sollen etwa 30 000 existieren.
  • Manche Experten glauben, dass die Hisbollah sogar über Scud-Raketen mit mehr als 500 Kilometern Reichweite verfügen könnte.
  • Daneben führt die Miliz Kriegsgerät, um Panzer und Schiffe anzugreifen.
  • Auch Flugabwehrraketen sind im Arsenal. Das israelische Alma Research and Education Center hat im Jahr 2022 geschätzt, dass zudem rund 2000 unbemannte Luftfahrzeuge zur Verfügung stehen - darunter Drohnen des iranischen Typen „Schahed“ und „Samad“.

Hisbollah-Anführer

Dieses Videostandbild zeigt Hisbollah-Führer Sayyed Hassan Nasrallah, der über eine Videoverbindung während einer Kundgebung in Beirut spricht. Foto: AP/Uncredited/dpa

Die hohen Hisbollah-Vertreter treten nur selten in der Öffentlichkeit auf, und wenn, dann spricht meistens der Chef persönlich. Aus Sorge um sein Leben zeigt sich Hassan Nasrallah der Welt allerdings nur auf dem Bildschirm. Bei wichtigen Reden versammeln sich seine Anhänger im Libanon auf Straßen oder Plätzen, um ihm gemeinsam zuzuhören. Wenn die Ansprache vorbei ist, haben sie innerhalb von Minuten alles wieder aufgeräumt. Die Hisbollah ist auch für die Disziplin und den Gehorsam ihrer Anhänger bekannt.