Ischgl galt zu Beginn der Corona-Pandemie als Hotspot. Das hat nun Folgen. Foto: dpa/Jakob Gruber

Ischgl galt als Corona-Hotspot. Aus Sicht vieler Betroffener kamen Vorsichtsmaßnahmen zu spät. Bald klagen Opfer auf Schadenersatz. Die Branche selbst will nun klare Regeln für die kommende Wintersaison.

Wien - Zur Rolle des österreichischen Touristenorts Ischgl bei der Verbreitung des Coronavirus zeichnen sich erste Muster-Prozesse ab. Er werde Ende September erste Klagen von Opfern auf Schadenersatz und Anerkennung von Folgeschäden beim Landgericht Wien einbringen, kündigte der österreichische Verbraucherschützer Peter Kolba an. Darunter seien auch Fälle von Deutschen, die entweder durch die Erkrankung gestorben seien oder wie im Fall eines Mannes aus dem Rheinland nach langem Aufenthalt auf der Intensivstation mit Folgeschäden zu kämpfen hätten.

„In einzelnen Fällen geht es um 100 000 Euro“, sagte Kolba der Deutschen Presse-Agentur. Nach seiner Darstellung haben die Verantwortlichen zu spät und nicht umfassend genug auf den Ausbruch der Corona-Krise reagiert. Von dem für seine Après-Ski-Szene bekannten Ischgl aus sei das Virus in 45 Staaten getragen worden.

Eine Ende Juni veröffentlichte Studie der Medizinischen Universität Innsbruck hatte ergeben, dass in Ischgl 42,4 Prozent der getesteten Bürger Antikörper auf das Coronavirus gebildet hatten. Das galt als weltweit höchster bisher publizierter Wert und als Hinweis auf die hohe Verbreitung des Virus im Ort. Nach Angaben österreichischer Behörden waren zeitweise 40 Prozent aller Fälle im Inland auf Ischgl zurückzuführen. Auch viele deutsche Touristen haben sich nach ihrer Überzeugung in Ischgl angesteckt.

Chaotische Umstände bei Abreise

Mehr als 6000 Tirol-Urlauber, davon viele Deutsche, haben sich inzwischen bei Kolba als Geschädigte gemeldet. Rund 1000 Menschen haben sich laut des Vereins bereits dazu entschlossen, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anzuschließen. Als Indiz dafür, dass es für eine Ansteckung ausreichte, sich mit Geschäftspartnern auf ein Essen zu treffen, wertet Kolba den Fall eines in München lebenden Italieners, der den Ort am 12. März nur für eine berufliche Stipp-Visite besucht hatte. Am 13. März wurde das Paznauntal mit den Orten Ischgl und Galtür unter Quarantäne gestellt. Auch die teils chaotischen Umstände der Abreise der Touristen würden Teil des Verfahrens, so Kolba.

Unterdessen trifft Ischgl Maßnahmen gegen eine abermalige Virus-Verbreitung in der Wintersaison, die Ende November startet. So sollen alle Tourismus-Mitarbeiter mit einem negativen Corona-Test anreisen oder vor Ort getestet werden. Während der Saison würden den Mitarbeitern dann laufend Testmöglichkeiten angeboten.

Klare Regeln für Après-Ski

Auch den Gästen wird empfohlen, bereits beim Check-in in den Hotels ein negatives Testergebnis vorzuweisen. Ansonsten könnten sie sich vor Ort testen lassen. Darüber hinaus soll das Abwasser auf der Suche nach dem Virus analysiert werden. Die Seilbahnkabinen sollen laufend mittels Kaltvernebelungsgeräten desinfiziert werden. Dieselbe Methode wird den Angaben zufolge auch in den Skibussen sowie in Sportshops, Skidepots, WC-Anlagen, Aufzugskabinen und den Ersten-Hilfe-Stationen täglich angewendet.

Die Seilbahn-Wirtschaft in Österreich will klare Regeln für die bevorstehende Wintersaison gerade für das nun umstrittene Feiern beim Après-Ski. Die Branche ist für eine verpflichtende Registrierung der Gäste beim Après-Ski und in den Diskotheken der Wintersportorte, für eine Zwischensperrstunde ab etwa 18.30 Uhr oder 19 Uhr, in der die Lokale gereinigt und desinfiziert werden, sowie für eine Reglementierung der Gästezahl. „Ein kontrolliertes Après-Ski ist sicher besser als Partys in den Seitengassen“, so jüngst der Seilbahn-Sprecher in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Franz Hörl. Die Entscheidung müsse bald fallen. „Drei Prozent der Umsätze könnten 97 Prozent der Saison gefährden“, meinte Hörl.