Zu der Demo am Samstag kamen weit mehr Menschen als erwartet. Foto: Andreas Rosar Fotoagentur-Stuttg/Andreas Rosar Fotoagentur-Stuttg

Auf dem Schillerplatz haben zahlreiche Menschen für Solidarität mit der feministischen Revolution und dem Kampf des iranischen Volks demonstriert.

Die Bilder, die am Samstag auf den Treppen unter dem Stuttgarter Schillerdenkmal samt Kerzen und Nelken stehen, gehen unter die Haut; die der Demonstrationen wie die der Porträts der dabei umgekommener Iranerinnen und Iraner. Da ist eine Frau zu sehen, die in Teheran auf einem Auto unter Beifall ihr Kopftuch verbrennt. Ein Mann, der von der Polizei abgeführt wird, sein nackter Körper zeigt Misshandlungen. Frauen jeden Alters, die die Fäuste recken und Mahsa Aminis Bild halten. Jene 22-Jährige, die am 13. September von der Sittenpolizei wegen scheinbar unangemessener Kleidung verhaftet wurde, danach im Krankenhaus verstarb.

Nicht erst seitdem wird im Iran gegen das Regime protestiert, aber nun extremer. „Solche Fälle wie Mahsa Amini, schlimmere, gibt es schon lange. Das war nun einer zu viel“, sagt ein Teilnehmer der Solidaritäts-Kundgebung mit der feministischen Revolution und dem Kampf des iranischen Volks am Schillerplatz. Aufgerufen zu weltweiten Kundgebungen am Samstag hatte der iranische Schriftsteller Hamed Esmaeilion. Er lebt in Kanada, ist Sprecher der Hinterbliebenen des vom Iran abgeschossenen Ukrainischen Flug PS752, bei dem er seine Familie verlor.

Weit mehr als 300 Demonstranten

Nach Stuttgart kamen – von der hiesigen iranischen Community organisiert – weit mehr als die erwartenden 300 Menschen. Bis zum Neuen Schloss standen sie, skandierten unter anderem „der Mullah muss weg“, „one solution – revolution“ und „Jin, Jian Azadi“, also „Frauen, Leben und Freiheit“. Dieser Slogan kurdischer Frauen ist auch im Iran populär. Solidaritätsnoten gab es von der kurdischen Frauenbewegung – Gülistan Ates sprach –, und dem Frauenkollektiv. Zahlreiche Iranerinnen und Iraner berichteten auf Deutsch, Farsi und Englisch von der Situation, wie die Islamische Republik Natur zerstöre, Wirtschaft zugrunde richte, Terrorregime und Kriege, auch den Putins, unterstütze, gegen das Volk agiere.

Die Zeit sei reif, dies und 43 Jahre Frauen- und Menschenrechtsverletzungen zu beenden. „Wir haben keinen Selensky oder Botschafter – unterstützen sie uns!“ Die in Stuttgart lebende Künstlerin und Aktivistin Azin Sadati-Schmutzer erklärte, deutsche Politikerinnen sollten nicht den obligatorischen Hijab tragen, wenn sie mit der Führung in Teheran sprächen. Damit würden Diskriminierung und Tötungen des iranischen Volkes bagatellisiert.

Gesang und Tanz

Die Aussagen untermauerten Tanz und viel Gesang. So stimmten alle leidenschaftlich ein in Shervin Hajipours „Baraye“ („für“ oder „wegen“), das mittlerweile eine Hymne des Protests ist. Darin hat er iranische Tweets vertont und ins Netz gestellt, sitzt nun im Gefängnis. Hajipour singt etwa „Wegen tanzen auf der Straße“, „der korrupten Wirtschaft“, „der Angst, sich auf der Straße zu küssen“, „aller weggesperrten Talente“, „verschmutzten Luft“, „für die Studierenden und ihre Zukunft“ – und endet mit „für Frauen, Leben und Freiheit“, also „Baraye azadi.“