Rola Bourghol arbeitet als Schulbegleiterin an der Grundschule Beutelsbach Foto: Julian Rettig

Mit viel Optimismus unterstützt Rola Bourghol andere Geflüchtete beim Spracherwerb und der Eingliederung in die Gesellschaft. In Weinstadt ist die 45-jährige Libanesin sehr gut integriert, aber dennoch hat sie Zukunftssorgen.

Wenn man sich mit Rola Bourghol unterhält, kann man kaum glauben, dass sie erst 2015 aus dem Libanon nach Deutschland gekommen ist. Und das liegt nicht allein an dem grammatikalisch fehlerfreien Deutsch, das sie spricht. Es sind die vielen Dinge, die sie in dieser Zeit geschafft hat, nicht nur für sich, sondern vor allem auch für ihre Mitmenschen. Denn egal, was die 45-Jährige anpackt, es ist stets zum Vorteil anderer. Dabei lässt sie sich von Rückschlägen nicht beirren, im Gegenteil.

So packte sie die Gelegenheit beim Schopf, als Mitglieder des Integrationsvereins Weinstadt Sprachunterricht in der Gemeinschaftsunterkunft anboten, in der sie anfänglich untergebracht war. Denn von Amts wegen war ihr als Libanesin die Teilnahme an einem staatlichen Deutschkurs nicht bewilligt worden.

Mitglied im Integrationsverein

Doch Rola Bourghol, die neben ihrer Muttersprache Arabisch auch Englisch und Französisch spricht, wollte ebenfalls die hiesige Landessprache können. „Ich habe keine Stunde verpasst“, erinnert sie sich an den Deutschunterricht in der Asylunterkunft. Zudem nutzte sie den auf diese Weise geknüpften Kontakt zum Integrationsverein, indem sie selbst Mitglied wurde.

„Ich war immer bei den Versammlungen dabei, auch wenn ich anfangs gar nichts verstanden habe.“ Oftmals habe sie durch das angestrengte Zuhören über mehrere Stunden Kopfschmerzen bekommen. Die Übersetzungs-App auf dem Smartphone sei ihr zunächst auch keine große Hilfe gewesen. Denn bei der Eingabe vieler deutscher Begriffe sei auf Arabisch völliger Nonsens herausgekommen. Aber Rola Bourghol wäre nicht Rola Bourghol, wenn sie nicht eine Lösung für sich gefunden hätte. Statt eines Übersetzungsdienstes von Deutsch in Arabisch nutzte sie einen für Deutsch in Englisch oder Französisch – mit verständlicheren Ergebnissen. Inzwischen braucht sie solch eine technische Unterstützung freilich nicht mehr. „Jetzt verstehe ich alles.“

Kaum ein Jahr in Deutschland, begann sie 2016 mit ihren Sprachkenntnissen anderen Geflüchteten zu helfen. Erst habe sie bei Behördengängen unterstützt, indem sie von Englisch in Arabisch übersetzt habe und später von Deutsch in Arabisch, erzählt Bourghol. Von Anfang 2017 an arbeitete sie dann im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes, kurz Bufdi, für zehn Monate im Integrationsmanagement der Stadt Weinstadt. Im Anschluss sei sie in der Verpackungs- und Retourenabteilung einer Winterbacher Bekleidungsfirma tätig gewesen, berichtet die studierte Informatikerin, die im Libanon mangels Jobangeboten als Englisch- und Französischlehrerin an einer Privatschule unterrichtet hat. Aufgrund der Coronapandemie habe sie nach ihrer Probezeit indes keinen Anschlussvertrag bekommen.

Zeugnisse aus dem Libanon sind nicht anerkannt

„Daraufhin habe ich entschieden, dass ich weitermachen muss.“ Bourghol vertiefte ihre Deutschkenntnisse, indem sie einen Sprachkurs auf C1-Niveau erfolgreich absolvierte. Weil ihre Zeugnisse aus dem Libanon in Deutschland nicht anerkannt werden, kann sie damit zwar noch immer nicht als Lehrerin tätig sein. Aber Bourghol machte einmal mehr das Beste aus der Situation. „Seit September bin ich Schulbegleiterin an der Grundschule Beutelsbach“, berichtet sie freudestrahlend. Täglich unterstützt sie nun ein Kind mit besonderem Bedarf im Schulalltag. „Seine Noten sind schon viel besser geworden. Die Eltern und die Lehrer sind sehr zufrieden.“

Obwohl Bourghol inzwischen auch beruflich eingespannt ist, hat sie ihr Engagement für andere Geflüchtete nie aufgegeben. Zum einen gehört sie dem Dolmetscher-Pool der Stadt Weinstadt an. Zum anderen ist sie nach wie vor im Integrationsverein aktiv und gibt einmal wöchentlich Deutschunterricht. Darüber hinaus bindet sie die Frauen ihres Sprachkurses, die aus Syrien, Togo, Georgien und Ostpakistan stammen, auch in die Aktivitäten des Integrationsvereins ein. Jüngst etwa verkauften die Frauen, von denen viele Musliminnen sind, am Stand des Vereins auf dem Weihnachtsmarkt in Endersbach deutsches, ukrainisches und arabisches Gebäck. Dies helfe den Frauen beim Erlernen der deutschen Sprache und bei der Integration, sagt Bourghol: „Denn ich kann mich, ohne die Sprache zu beherrschen, nicht integrieren. Und es macht auch keinen Sinn, die Sprache zu lernen und zu Hause zu bleiben.“

Ein freundliches und offenes Wesen

Beides müsse parallel ablaufen. Daher animiere sie die Frauen, die aus ihren Heimatländern gewohnt seien, sich im Hintergrund zu halten, sich gesellschaftlich einzubringen, sagt Rola Bourghol. Und man kann sich angesichts ihrer positiven Ausstrahlung sowie ihres den Mitmenschen zugewandten, freundlich und offenen Wesens sehr gut vorstellen, mit welcher Überzeugungskraft ihr dies gelingt.

Fühlt sie sich denn selbst in Deutschland mittlerweile voll und ganz angekommen? Bei diesem Gesprächsthema treten Sorgenfalten auf Bourghols Stirn. Denn trotz ihres vielfältigen Engagements ist sie in der Bundesrepublik lediglich geduldet. Die Angst, wieder gehen zu müssen, habe sie daher stets im Hinterkopf – vor allem ihrer beiden Söhne wegen, elf und 17 Jahre alt, gesteht sie. „Sie sind sehr gut integriert hier, haben Freunde und sind gut in der Schule. Ich habe Sorge, dass sie da herausgerissen werden.“ Schließlich hätten sie schon einmal ihre Heimat verloren. Bourghols größter Wunsch daher ist, irgendwann die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen zu können und auch ihre drei erwachsenen Töchter, die in Jordanien derzeit leben, hierherholen zu können. Deutsch lernten diese dafür bereits fleißig, sagt Bourghol und schiebt mit einem Lachen ihre sorgenvollen Gedanken wieder beiseite. Da ist sie wieder, die fröhliche Frau, die vor Optimismus nur so sprüht.