Marina Moser vom Naturkundemuseum auf der Insektenpirsch. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Naturschutzbund ruft wieder zum Zählen von Insektenarten auf. Diese sind ein wichtiger Indikator für das ökologische Gleichgewicht. Mitmachen kann jeder – überall.

Hoch steht das Gras im Rosensteinpark. Um den Salbei und die Riesenglockenblumen summen und brummen Honigbienen und Hummeln. Das erkennt jeder Laie sofort. Doch welche Insekten tummeln sich noch in der Wiese? Diese Frage sollen beim sogenannten Insektensommer des Naturschutzbund Deutschland (Nabu) bis zum 9. Juni möglichst viele Menschen im Land beantworten.

Insektenpirsch mit Becherlupe und Fangnetz

Am Dienstag machten der Stuttgarter Insektenexperte des Nabu, Stefan Kress, und die Forschungsreferentin und Wespenspezialistin Marina Moser vom Naturkundemuseum Stuttgart den Anfang: eine Stunde Insektenpirsch mit Becherlupe und Fangnetz. Das Untersuchungsgebiet der beiden Experten war der obere Rosensteinpark, direkt beim Dino-Spielplatz vor dem Naturkundemuseum.

„Hier ist eine Schwebfliege“, sagt Kress und beugt sich tief ins hohe Gras. „Sie hat wie alle Fliegen nur ganz kurze Fühler.“ Ganz ideal sind die Bedingungen an diesem Nachmittag nicht, um möglichst viele Insekten zu dokumentieren. Der Wind hat aufgefrischt, und auf den Wiesen im Rosensteinpark wachsen für ein echtes Insektenparadies auch deutlich zu wenig verschiedene Blühpflanzen.

Insekten sind der wichtigste Nahrungslieferant im Tierreich

Aber immerhin: Schnell kommen zu den umherfliegenden Honigbienen eine Verwandte aus der Wildbienen-Familie sowie Schnellkäfer, Großes Heupferd oder ein Grüner Scheinbockkäfer. Damit jedem klar ist, wonach überhaupt gesucht wird, beschreibt Kress noch einmal, welche Merkmale Insekten vereint: Sechs Beine, ein in drei Teile gegliederter Körper und zwei Fühler. Vor allem an den sechs Beinen sind Insekten für jeden leicht zu erkennen. Die Spinnen mit ihren acht Beinen gehören zum Beispiel nicht dazu.

Insekten sind nicht nur weltweit die artenreichste Klasse im Tierreich, sagt Kress. Mit 75 Prozent der gesamten Biomasse aller wild lebenden Tiere seien sie auch der wichtigste Nahrungslieferant im Tierreich. „Allein daran ist zu erkennen, wie bedeutend Insekten sind“, sagt der Biologe. Zudem leisten Insekten Bestäubungsarbeit und halten den Nährstoffkreislauf in Gang.

Biomasse um 75 Prozent zurückgegangen

Will man also wissen, wie es um unseren Lebensraum steht, sind die Sechsbeiner entscheidende Indikatoren. Bereits 2017 hatten Forscher in der sogenannten Krefelder Studie festgestellt, dass zwischen 1989 und 2016 in den Naturschutzgebieten in Deutschland die Fluginsekten-Biomasse um 75 Prozent zurückgegangen ist.

Die beim Insektensommer gemeldeten Daten seien für die gesamte Biodiversitätsforschung interessant, betont Marina Moser. „Das ermöglicht es Forschenden, Veränderungen bei Häufigkeit und Verbreitung verschiedener Insekten über die Zeit zu analysieren.“ Daraus könne mithilfe weiterer Umweltdaten wichtiges Handlungswissen für den Naturschutz entwickelt werden.

Mitmachen beim Insektenzählen kann jeder, ob klein oder groß. Als Untersuchungsgebiet eignen sich strukturreiche Wiesen, Gärten oder sogar der eigene Balkon.

Nur zweimal im Jahr die Wiese mähen

Dass in den Wiesen der Reichtum an Blühpflanzen, die für eine große Insektenvielfalt unabdingbar ist, immer weiter zurückgeht, sei dem Einsatz von Kunstdünger sowie zu häufigen Mähintervallen geschuldet, betont Moser. „Am besten wäre, nur zweimal im Jahr und nicht vor Juni zu mähen.“

So macht es auch die Wilhelma, die für die Pflege der Wiesenflächen im Rosensteinpark zuständig ist. „Die Wiesenpflege ist ein wichtiger Baustein für den Insektenschutz“, sagt Katja Siegmann, die Fachbereichsleiterin Parkpflege im zoologisch-botanischen Garten. „Werden die Flächen nur zweimal im Jahr gemäht, haben Wildblumen genügend Zeit, Blüten und später auch Samen zu bilden.“ Je vielfältiger und blütenreicher die Wiesen seien, desto besser gehe es dann auch den Insekten.

Insektenzählen leicht gemacht

Aktion
Beim Insektensommer des Nabu zählt jeder gesichtete Sechsbeiner. Wer teilnimmt, sollte bis zum 9. Juni über maximal eine Stunde in einem Umkreis von höchstens zehn Metern alle Insekten zählen, die zu sehen sind. Das Entwicklungsstadium, also Larve, Raupe oder ausgewachsen, spielt keine Rolle.

Arten
Beim aktuellen Insektensommer steht die knallroten Feuerwanze besondere im Fokus. Daneben soll vor allem auf acht im Frühjahr häufig vorkommende Arten achtgegeben werden: Admiral, Asiatischer Marienkäfer, Blutzikade, Gemeine Florfliege, Hainschwebfliege, Lederwanze, Steinhummel und Tagpfauenauge.

Hilfen
Alle weiteren Informationen, eine Zählhilfe und der Zugang zu einer Bestimmungsapp finden sich unter www.insektensommer.de