Der Bauschuttunternehmer Walter Feeß im Kreis Esslingen kann neuerdings CO2 in Altbeton speichern. Damit könnten Häuser oder Straßen gebaut werden. Ob sich die bisher seltene Anlage durchsetzt, ist aber ungewiss.
Es ist, wieder einmal, ein großes Wagnis: Der für seine Innovationen bekannte Bauschutt-Recycler Walter Feeß hat aus eigener Tasche rund 800 000 Euro investiert, um auf seinem Betriebsgelände zwischen Kirchheim und Reudern eine Anlage zu errichten, die Kohlendioxid in Betonbruch binden kann. Ob sie sich jemals bezahlt macht, weiß Feeß nicht: „Viele sagen beim Klimaschutz, man müsste, man sollte – aber am Ende machen viele nichts.“ Er fängt einfach mal an.
Die Anlage ist die erste in Baden-Württemberg und erst die zweite (nach Berlin) in Deutschland. Sie wurde von dem Schweizer Unternehmen Neustark AG entwickelt und funktioniert so: Zuvor zu Split oder Brechsand gemahlener Altbeton wird in vier Kammern gefüllt und mit Kohlendioxid bedampft. Es beginnt ein natürlicher chemischer Prozess, bei dem sich das Material durch das CO2 teilweise in Kalkstein verwandelt und so das Klimagas bindet. Wegen der größeren Oberfläche kann Betonbrechsand deutlich mehr CO2 festhalten.
Recycelter Beton als CO2-Speicher
Auch in jeder Betonwand in jedem Gebäude ereigne sich eine solche Reaktion, sagt Alexander Feeß, der Sohn des Pioniers und mittlerweile auch Geschäftsführer – nur sei sie so gering, dass sie keinen Klimaeffekt habe. In der Anlage, für die das Unternehmen ein zentrales Plätzchen auf dem recht beengten Gelände gefunden hat, lässt er sich aber hochskalieren.
Die Reaktion ist nach drei Stunden abgeschlossen, dreimal am Tage lassen sich die Kammern befüllen. So können jährlich 100 000 Tonnen recycelter Beton bedampft und 1000 Tonnen CO2 dauerhaft gespeichert werden. Zum Vergleich: Es bräuchte 100 000 Bäume, damit jährlich gleich viel Kohlendioxid nicht in die Atmosphäre gelangt. Allerdings emittiert allein die Zementindustrie in Baden-Württemberg rund 3,6 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.
„Es braucht deshalb solche Anlagen in jeder Stadt in Deutschland“, betont Walter Feeß. Denn es sei doch viel besser, das CO2 vor Ort im Betonbruch zu speichern, als ihn über weite Strecken zu transportieren und dann unter der Nordsee in Hohlräume zu versenken. Mit dem „karbonisierten Zuschlagsstoff“, wie der recycelte und bedampfte Beton offiziell genannt wird, könne man die Städte zu Kohlendioxid-Senken machen, ähnlich wie Wälder, schwärmt der 70-jährige Feeß, der noch immer voller Energie, voller Ideen und voller Leidenschaft ist. Mit Holz lässt sich ein ähnlicher Effekt erzielen, weil das gebundene CO2 über längere Zeit zumindest nicht frei wird – Forstminister Peter Hauk (CDU) propagiert deshalb seit Jahren das Bauen mit Holz.
Tatsächlich kann das Material neuem Beton zugemischt werden, damit können also neue Häuser entstehen. Ab dem nächsten Jahren dürfen bis zu 45 Prozent an sogenanntem R-Beton zugefügt werden – damit spart man also auch große Mengen an mineralischen Ressourcen. Große Teile dürften aber als Frostschutzmaterial im Straßen- oder Landschaftsbau verwendet werden.
Wenn es denn jemand abnimmt – und genau darin liegt derzeit die Krux. Denn natürlich ist der karbonisierte Split oder Brechsand etwas teurer. Alexander Feeß betont zwar, dass das kaum ins Gewicht falle, doch trotz der Offenheit mancher Unternehmen wie des Zementherstellers Holcim für Recyclingstoffe rechnen die Abnehmer sehr spitz. Aus diesem Grund sei es wichtig, dass die öffentliche Hand als Vorreiter vorangehe und das klimafreundliche Material in ihren Ausschreibungen bevorzuge. Die Stadt Zürich sei in dieser Hinsicht ein Vorbild. „Beim Klimaschutz darf man nicht nur auf den Preis schauen“, sagt Walter Feeß: „Wir haben eine Verantwortung für unsere Kinder.“
Das Land Baden-Württemberg unterstützt Feeß
Vorerst scheint eine vorgeschriebene Nutzung von karbonisiertem R-Beton aber noch Zukunftsmusik zu sein. Andre Baumann, grüner Staatssekretär im Umweltministerium, hat zwar bei der offiziellen Eröffnung der Anlage in Kirchheim vor wenigen Tagen versprochen, dass R-Beton künftig in Ausschreibungen priorisiert werden soll. Doch für das CO2-Material gilt dies dann noch nicht.
Dennoch unterstützt das Land Initiativen wie die von Walter Feeß. Rund 400 000 Euro gab es an Fördermitteln für die insgesamt 1,2 Millionen Euro teure Anlage. Sie sei, so Baumann, die erste richtige Möglichkeit in Baden-Württemberg, Kohlendioxid zu binden. Solche Projekte, bei denen CO2 gespeichert oder sogar wiederverwendet wird, werden überall einen größeren Stellenwert bekommen. Denn nicht die gesamten Emissionen können vermieden werden – um bis 2040 klimaneutral zu werden, muss das Land auch Speicherung und Nutzung von Kohlendioxid vorantreiben.