Die Innenministerkonferenz endet ohne einen gemeinsamen Beschluss. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Er war lange ein Streitthema zwischen den deutschen Innenministern. Nun endet zum Jahreswechsel der pauschale Abschiebestopp für Syrien. SPD-Minister weisen darauf hin, dass die Folgen erst einmal gering sein werden, selbst für Gefährder und Straftäter.

Berlin - Dass der Abschiebestopps für Syrien zum Jahresende ausläuft, wird nach Einschätzung von Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius Abschiebungen dorthin nicht erleichtern. Das bleibe weiterhin sehr, sehr schwierig, sagte der Sprecher der SPD-Innenminister am Freitag in Berlin zum Abschluss der Innenministerkonferenz. „Ich halte das für auch ein Stück weit für populistisch“, sagte er zum Ende des Stopps, den Minister von CDU und CSU durchgesetzt hatten.

Ohne einen gemeinsamen Beschluss beider Seiten endet die seit 2012 geltende Regelung nun. Damit wird wieder in jedem Einzelfall geprüft, ob eine Abschiebung möglich ist.

Keine Direktflüge nach Syrien

Es blieben praktische Probleme, erklärte Pistorius. Es gebe weder Direktflüge nach Syrien noch Beziehungen zur Regierung von Präsident Baschar al-Assad. Er wolle wissen, ob die Bundesrepublik nun bereit sei, „diplomatische Beziehungen mit dem Verbrecherregime von Assad aufzunehmen“. „Auch wir finden es entsetzlich, dass hier Menschen Schutz finden und nicht abgeschoben werden dürfen“, sagte Pistorius. Man lebe aber Gott sei Dank in einer Zeit, in der das Prinzip Auge um Auge nicht gelte und der Artikel 1 des Grundgesetzes zum Schutz der Menschenwürde für jedermann gelte. „Auch wir würden sofort abschieben, wenn es denn irgendwie ginge.“

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Staatssekretär Hans-Georg Engelke aus dem Bundesinnenministerium sagte, es sei nicht einzusehen, dass eine Abschiebung selbst bei Gefährdern nicht einmal geprüft werde. „Wer schwere Straftaten begeht oder terroristische Absichten verfolgt, um unserem Staat und unserer Bevölkerung empfindlich zu schaden, der sollte, muss unser Land verlassen.“

Abschiebung dürfe kein Tabu sein

Es gebe in Deutschland 89 islamistische Gefährder aus Syrien, sagte Engelke. Gefährder sind Menschen, denen die Sicherheitsbehörden schwerste politisch motivierte Straftaten bis hin zum Terroranschlag zutrauen. „Wir wollen das Recht haben, den Einzelfall zu prüfen“, sagte Engelke. Mit einem pauschalen Abschiebestopp würde das Signal gesendet, dass die deutschen Behörden, egal was jemand hier tue, nicht einmal die Möglichkeit einer Abschiebung prüften.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) als Vertreter der unionsgeführten Länder sagte, in Syrien sehe man nach wie vor eine „schwierige Situation“. Es dürfe aber kein Tabu sein, über die Abschiebung einzelner Gefährder und Straftäter nachzudenken. Schließlich seien einige Syrer aus Jordanien und dem Libanon zurück in ihre Heimat gegangen. Er sagte auch: „Wir haben Berichte darüber, dass auch anerkannte Flüchtlinge in Deutschland gelegentlich zu Heimatbesuchen nach Damaskus fliegen.“

Syrien ist noch immer im Bürgerkrieg

„Abschiebungen nach Syrien sind weder völkerrechtskonform, noch möglich. Die syrische Regierung geht weiterhin mit Gewalt willkürlich gegen Menschen vor. Syrische „Sicherheitskräfte“ sind für systematische Folter und Hinrichtungen von Zehntausenden Menschen verantwortlich“, erklärte der Amnesty-Generalsekretär in Deutschland, Markus Beeko. „Das ist ein menschenrechtlicher Dammbruch mit fatalen Folgen für die deutsche Außen- und die Innenpolitik“, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. „Ein Folterregime wird nun salonfähig gemacht, denn ohne diplomatische Beziehungen sind Abschiebungen unmöglich.“ Die Länder müssten umgehend eigene Abschiebestopps für Syrien erlassen.

Auch die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, reagierte entgeistert: „Angesichts des anhaltenden Terrors des IS und der türkischen Besatzung in Nordsyrien steht fest: Es gibt in Syrien keine sicheren Gebiete. Jede Abschiebung dorthin, egal wen sie trifft, ist Unrecht.“ Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Luise Amtsberg, betonte: „Das Völkerrecht verbietet Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete.“

AfD sieht Abschiebungen als „ersten Schritt“

Die FDP-Innenpolitikerin Linda Teuteberg findet es dagegen richtig, „dass terroristische Gefährder aus Syrien keine pauschale Garantie genießen“, in Deutschland bleiben zu können. Die Bundesländer sollten mehr Abschiebehaftplätze schaffen. Denn weil es daran immer noch fehle, scheiterten oft auch Abschiebungen in Herkunftsländer, in die ohne rechtliche Bedenken abgeschoben werden könnte.

Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Gottfried Curio, sagte: „Dass Gefährder und Straftäter ab kommenden Jahr nach Syrien abgeschoben werden können, sollte nur als erster Schritt begriffen werden“. Da der Krieg in den meisten Regionen Syriens vorüber sei, müsse die Bundesregierung nun „die notwendige Voraussetzung für eine breiter angelegte Rückkehr von Syrern“ schaffen.