Den Namen des Erkrankten nennen oder nicht? Elementare Rechtsgrundsätze stoßen dabei aufeinander. Foto: dpa/Christoph Soeder

Infizierte Mitarbeiter – das wird es demnächst immer häufiger geben. Muss der Arbeitgeber darüber informieren, und wenn ja: Wie genau? Dafür gibt es Regeln.

Stuttgart - Mit zunehmender Zahl an Corona-Erkrankten gewinnt eine sehr praktische Frage von Tag zu Tag an Bedeutung: was darf der Arbeitgeber weitersagen? Die Antwort darauf ist nicht einfach – es kommt auf die Umstände an. Und vermutlich wird sich auch in diesem Bereich mit fortschreitender Ausbreitung der Krankheit ein Wandel in den Einschätzungen ergeben. Immerhin stoßen zwei elementare Rechtsgrundsätze aufeinander.

Bisher geht das deutsche Recht davon aus, dass Krankheiten eine höchst persönliche Sache sind und den Arbeitgeber nichts angehen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen gibt es keine Pflicht, dem Arbeitgeber gegenüber die Art einer Erkrankung offenzulegen. Dem Arbeitgeber ist es dementsprechend nicht gestattet, die Kollegenschaft über den Grund einer Erkrankung zu informieren. Ob jemand an Burnout leidet oder an Magenverstimmung geht die Kollegen nichts an.

Grundsätze geraten ins Wanken

Die Corona-Pandemie hat das Zeug, auch diese Grundsätze ins Wanken zu bringen. Erkrankte können nämlich schon in den Tagen zuvor unwissend und unabsichtlich Kollegen angesteckt haben. Es besteht ein großes Bedürfnis aller Beteiligten, zu wissen, wer genau erkrankt ist. Das kann schließlich auch viel zur Beruhigung beitragen, wenn man ausschließen kann, mit dem entsprechenden Kollegen in näherem Kontakt gewesen zu sein. Die Fürsorgepflicht, die jeder Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern hat, könnte daher die Namensnennung gebieten.

Die meisten Juristen tendieren in dieser Frage noch zur Zurückhaltung. Die Schutzpflicht des Arbeitgebers müsse man nicht diskutieren, sagt der Stuttgarter Arbeitsrechtler Stefan Nägele. Die Maßnahme müsse verhältnismäßig sein: Wenn im Lager jemand erkrankt, dann reiche die abstrakte Information im Normalfall für die Beschäftigten in der Buchhaltung. Es sei im Einzelfall zwar nicht auszuschließen, dass der Erkrankte identifizierbar werde, eine Namensnennung halte er aber für „hochkritisch“.

Wann eine Namensnennung möglich ist

Die Juristen des Deutschen Gewerkschaftsbundes sind in der Einschätzung der Lage geschmeidiger. Selbstverständlich sei der Arbeitgeber dazu verpflichtet, die übrigen Arbeitnehmer vor Ansteckung zu schützen, heißt es gegenüber unserer Zeitung. Gleichwohl solle eine „Stigmatisierung des Erkrankten“ vermieden werden. Im Einzelfall sei die Lage mit dem Gesundheitsbehörden zu beraten.

Stefan Brink, der Datenschutzbeauftragte in Baden-Württemberg, geht einen entscheidenden Schritt weiter. Das Rechtsportal e-Recht24 zitiert Brink mit der Aussage, dass eine Namensnennung nach „gründlicher Abwägung im Einzelfall“ möglich sei. Das sei allerdings so etwas wie die Ultima Ratio, womöglich soll auf eine Namensnennung verzichtet werden.

Der Berliner Rechtsanwalt und Datenschutzspezialist Lev Lexow empfiehlt den Arbeitgebern, den Abwägungsprozess vor einer Entscheidung schriftlich festzuhalten. „In einem möglichen Streitfall kann das später von Vorteil sein“, erklärte Lexow unserer Zeitung. Der Stuttgarter Arbeitsrechtler Michael Henn hat noch einen Tipp parat: Vom Arbeitnehmer die Erlaubnis der Namensnennung einholen.