Der Kampfmittelbeseitigungsdienst hat im vergangenen Jahr 13 Weltkriegsbomben in Baden-Württemberg unschädlich gemacht. Sorge bereitet den Experten indes ein gefährliches Hobby: das Magnetangeln.
In den Gewässern der Region Stuttgart schlummert wohl der eine oder andere Schatz. Zumindest aus der Sicht von sogenannten Magnetanglern, die auf der Suche nach metallischen Gegenständen sind. Doch die Suche kann schnell nach hinten losgehen, wie ein Fall aus dem vergangenen Januar zeigt. Ein 41 Jahre alter Mann in Bad Cannstatt hat damals eine Panzermine aus dem Zweiten Weltkrieg aus dem Neckar gefischt und einen größeren Polizeieinsatz samt Sperrung des Uferbereichs ausgelöst. Außerdem musste der Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) ausrücken, um den Sprengkörper zu entfernen.
Entschärfer rund 50-mal bei Magnetanglern im Einsatz
„Wir beobachten dieses Hobby mit Sorge“, sagte Regierungspräsidentin Susanne Bay. Allein im vergangenen Jahr sei der KMBD, der im Waldgebiet zwischen Stuttgart, Böblingen und Sindelfingen seinen Sitz hat, etwa 50-mal zu Magnetanglern gerufen worden, die Kampfmittel aus dem Wasser gezogen hatten. Was für manche ein spannender Zeitvertreib sei, könne in bebautem Gebiet oder belebter Umgebung schnell zu einer großen Gefahr für andere Menschen werden. Zumal Laien die Funktionsweise und den Zustand von Munition nicht beurteilen können.
Etwa 1,35 Millionen Tonnen Kampfmittel wie Granaten, Minen und Bomben sind im Zweiten Weltkrieg auf das Gebiet des damaligen Deutschen Reichs abgeworfen worden – rund 100 000 Tonnen allein über Baden-Württemberg, vor allem über den Industriezentren wie Stuttgart, Mannheim und Friedrichshafen. Bis zu 15 Prozent davon sind wohl nicht detoniert, noch immer liegen Blindgänger in Böden und Flüssen – und haben auch nach mehr als 80 Jahren nicht an Gefahr eingebüßt. Im Gegenteil: Durch die voranschreitende Materialermüdung von Zündern und Sprengstoffen nimmt das Gefahrenpotenzial sowie das Risiko der Selbstdetonationen zu.
Zwei Fliegerbomben gesprengt
Eine Gefahr, der sich die Feuerwerker des Kampfmittelbeseitigungsdienstes regelmäßig aussetzen müssen. Im vergangenen Jahr haben die Experten, die dem Regierungspräsidium Stuttgart untergeordnet sind, in Baden-Württemberg 13 Fliegerbomben mit einem Gewicht von jeweils mindestens 50 Kilogramm unschädlich gemacht. Davon konnten elf entschärft werden, zwei mussten kontrolliert gesprengt werden. 2023 waren es sogar 16 Bomben. Der letzte Blindgänger in Stuttgart wurde im vergangenen August ganz in der Nähe des Feuerbacher Höhenwegs entdeckt.
Die Fachleute des KMBD hatten die Einschlagstelle bei routinemäßigen Sondierungsmaßnahmen ausfindig gemacht – unter anderem werden Luftbildaufnahmen der Alliierten ausgewertet. Vor der Entschärfung wurde das angrenzende Wohngebiet in einem Radius von 400 Metern rund um die 250 Kilogramm schwere, britische Sprengbombe über Stunden gesperrt und evakuiert. Gegen Mittag war dann der chemische Langzeitzünder ausgebaut, anschließend konnte der Blindgänger, der sich 1,5 Meter tief im Erdreich befand, abtransportiert werden.
Neun Teams täglich im Einsatz
Neben den 13 Blindgängern musste die Experten des KMBD im vergangenen Jahr 811-mal ausrücken, um unter anderem Wurf- oder Handgranaten, Panzerabwehrhandwaffen und Infanterie-Munition zu bergen. Bis zu neun Teams waren täglich im Einsatz, um insgesamt rund 16 610 Kilogramm an Kampfmitteln zu sichern, im Jahr 2023 waren es noch eineinhalb Tonnen mehr. Ein Trend sei laut Stefanie Paprotka, Sprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgart, jedoch nicht zu erkennen, die Schwankungen würden im üblichen Bereich liegen. Die Fundstücke, die auf Baustellen, Privatgrundstücken oder in freier Natur entdeckt worden waren, werden auf das Gelände des KMBD gebracht und dort in einer speziellen thermischen Anlage vernichtet. Sollte ein Transport nicht möglich sein, werden sie direkt vor Ort kontrolliert gesprengt.
Ein weiteres Aufgabenfeld des KMBD ist die zentrale Waffenannahme für die Behörden des Landes Baden-Württemberg. Im vergangenen Jahr waren es 22 500 Stück mit einem Gesamtgewicht von mehr als 35,1 Tonnen. 2023 wurden „nur“ 18 600 Waffen (31 Tonnen) angeliefert. Auch hier gebe es keinen bestimmten Grund für die Schwankungen, so Paprotka. Darüber hinaus habe man von Polizeidienststellen, Waffenbehörden und anderen Dienststellen des Landes 8112 Kilo Munition entgegengenommen. 2023 waren es rund 7,5 Tonnen.
Kampfmittelbeseitigungsdienst immer erreichbar
Der KMBD ist aus Sprengkommandos hervorgegangen, die erstmals 1946 eingesetzt wurden und mit Fachleuten besetzt waren. So konnte in der Nachkriegszeit eine fachgerechte Beseitigung der Munition gewährleistet werden. Zum 1. Mai 1971 wurde die Zuständigkeit auf das Regierungspräsidium Stuttgart übertragen. Heute umfasst das Team 33 Personen, per Rufbereitschaft ist es rund um die Uhr erreichbar. Die Arbeit sei unverzichtbar, sagt Regierungspräsidentin Susanne Bay. „Gerade, weil die Kampfmittel immer älter und unsicherer werden.“ Dies zeige, welche „schlimmen Folgen kriegerische Auseinandersetzungen haben und wie wichtig es ist, für die Sicherung von Frieden in Europa einzutreten“.
Richtiges Verhalten beim Bombenfund
Finger weg
Kampfmittel- beziehungsweise munitionsverdächtige Gegenstände dürfen niemals bewegt, aufgenommen oder angefasst werden. Wer sie versehentlich aufgehoben hat, soll sie vorsichtig ablegen und niemals werfen.
Polizei rufen
Die Polizei ist unter der Notrufnummer 110 sofort zu verständigen und bei Eintreffen zum Fundort zu bringen. Die Identifizierung und weitere Behandlung verdächtiger Gegenstände muss den Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Baden-Württemberg überlassen werden.
Abstand halten