Nach dem Treffen im Bundesinnenministerium zur illegalen Zuwanderung lässt die Regierung verschiedene Vorschläge prüfen. Wer will was? Wie geht es weiter? Ein Überblick in Fragen und Antworten.
Rund drei Stunden saßen Vertreter der Bundesregierung, der Unionsfraktion im Bundestag und der Länder am Dienstag bei einem Arbeitsgespräch zur Migrationspolitik im Bundesinnenministerium zusammen. Wer will was? Wie realistisch sind die Forderungen? Und wie geht es jetzt weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wozu gab es das Gespräch?
Anlass des Treffens war der mutmaßlich islamistische Anschlag von Solingen. Auch wenn die Zahl der ankommenden Asylbewerber in den vergangenen Monaten zurückgegangen ist, gibt es nun erneut eine Debatte über Migration in Deutschland – und die Frage, welche Konsequenzen es braucht. Eine erste Reaktion der Bundesregierung gab es vergangene Woche mit dem Sicherheitspaket, das unter anderem Verschärfungen im Waffen- und im Aufenthaltsrecht vorsieht. Bei dem Gespräch im Innenministerium ging es nun um weitere migrationspolitische Maßnahmen, die die Zahl der Asylbewerber weiter senken sollen. Im Bundesinnenministerium kamen nun vor allem Fachpolitiker der verschiedenen Seiten zusammen. Angesetzt war das Treffen als vertrauliches Gespräch.
Was will die Union?
Der CDU-Parteivorsitzende und Unionsfraktionschef Friedrich Merz war bei dem Gespräch zwar nicht dabei, forderte aber zuvor, dass es unter anderem Zurückweisungen an den deutschen Grenzen brauche. Auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Thorsten Frei, der an dem Treffen teilnahm, sagte anschließend, dass es für die Union zentral sei, „dass es nicht nur Grenzkontrollen gibt, sondern dass es tatsächlich auch zu Zurückweisungen an der Grenze kommt.“ Außerdem fordert die Union unter anderem, Sozialleistungen für Asylbewerber weiter zu kürzen. Am Tag nach dem Gespräch sagte Merz, dass die von CDU und CSU regierten Länder nur in weitere Gespräche gehen wollten, wenn an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werde.
Was wollen die Regierungsparteien?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser äußerte sich nach dem Treffen eher allgemein. „Jetzt geht es darum, bestimmte Punkte, die wir vertraulich besprochen haben, rechtlich zu prüfen und dann weiter zu beraten“, sagte die SPD-Politikerin. Dazu gehört auch die Frage nach Zurückweisungen. Die FDP-Fraktion will laut Medienberichten bei ihrer Klausurtagung in Hamburg zwei Papiere verabschieden, die sich im Wesentlichen der Forderung der Union anschließen. Die Grünen hingegen halten Zurückweisungen für nicht praktikabel. Den Zeitungen der „Funke“-Mediengruppe sagte die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic: „Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze sind nach Europa-Recht nicht zulässig, da hier die Dublin-Verordnung anwendbar ist und im Rahmen des Asylverfahrens der zuständige Mitgliedstaat bestimmt werden muss.“
Wie realistisch ist die Forderung nach Zurückweisungen?
Darüber sind sich Experten nicht einig. Der Völkerrechtler Daniel Thym von der Universität Konstanz skizziert in einem Gastbeitrag für den „Spiegel“ verschiedene Szenarien, wie die Prüfung von Zurückweisungen ausgehen könnte und was daraus folgen würde. Thym hält es für möglich, dass Merz‘ Vorhaben rechtlich umsetzbar sein könnte. Grob zusammengefasst geht es um die Frage, ob die Bundesregierung sich auf eine Ausnahmeklausel in den EU-Verträgen berufen könnte. Dazu müsste sie nachweisen, dass Deutschland sich in einer Notlage befindet. Das hält Thym für schwierig, aber möglich. Der Migrationsforscher Gerald Knaus warnte am Dienstag im „Morgenmagazin“ hingegen vor unüberlegten Schritten. „Das EU-Recht auszusetzen – das wäre eine Atombombe“, sagte Knaus. Wenn Deutschland sich nicht mehr an die europäischen Regeln halte, verliere es seine Partner – die dann erst recht keine ausgewiesenen Asylbewerber mehr zurücknehmen würden.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Bundesregierung prüft nun schnellstmöglich, ob Zurückweisungen an den deutschen Grenzen rechtlich möglich sind. Wie es danach weitergeht, hängt von dem Ergebnis ab. Sollte die Prüfung negativ ausfallen, würde die Union wohl aus den Gesprächen aussteigen. Erweist sich Merz‘ Vorschlag als praktikabel, steht die Ampelregierung vor ihrer nächsten Herausforderung.