Die Beutelsbacherin Lisa Mutvar hat eine App entwickelt, die Menschen in herausfordernden Lebensphasen miteinander verbindet. Obwohl die App erst seit Kurzem online ist, nutzen sie bereits mehrere Tausend Menschen.
Es war ein Schock, der Lisa Mutvar völlig unvorbereitet traf. Vor gut sechs Jahren starb ihr damaliger Lebensgefährte ausgerechnet an seinem 22. Geburtstag bei einem tragischen Motorradunfall. Für die junge Frau brach eine Welt zusammen, zumal sie sich mit ihrer Trauer von vielen Menschen nicht richtig verstanden gefühlt hatte und deshalb nach Gleichgesinnten suchte. Dabei stellte sie fest, dass entsprechende Angebote rar gesät sind.
Sich im Kreis einer terminlich festgelegten Selbsthilfegruppe zu öffnen, ist nicht jedermann Sache. Andererseits: „Therapieplätze sind teuer und schwer zu bekommen“, sagt Lisa Mutvar. Gleichzeitig stellte sie fest, dass der informelle Austausch mit Gleichgesinnten nicht nur in einem Trauerfall entlastend sein kann. „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Selbsthilfe für sehr viele Menschen hilfreich ist“, sagt die inzwischen 26-Jährige.
Als Lisa Mutvar aufgrund ihrer Erfahrungen zur Ratgeberin für Bekannte und Freunde wurde, entstand daraus die Idee, eine App für Menschen in belastenden Lebensphasen zu entwickeln. „Es war eine sehr herausfordernde Zeit“, sagt die studierte Betriebswirtin, die damals bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angestellt und beruflich voll ausgelastet war. Dennoch hat sich die ehemalige Leistungsschwimmerin – in der Jugend war sie mehrfache süddeutsche Meisterin und deutsche Vizemeisterin über 400 Meter Freistil – engagiert, aber nach eigenem Bekenntnis auch mit einer gewissen Portion Naivität ans Werk gemacht. Insbesondere die hohen Kosten einer App-Entwicklung hatte sie unterschätzt. Mit Hilfe zweier Investoren konnte sie dieses Problem ebenso wie viele andere lösen.
Herausgekommen ist die sowohl für IOS als auch für Android verfügbare App „belinu“. Das Akronym steht für believe in yourself – glaube an dich. Die Anwendungssoftware für Smartphones besteht aus zwei Teilen. In einem kostenlos zugänglichen Forum können sich Betroffene über Themen wie Trauer in all ihren Formen, Beziehungsprobleme, Stress, Überforderung oder Einsamkeit untereinander austauschen. Eine Filterfunktion erlaubt Einschränkungen bezüglich Geschlecht oder Altersgruppe. Der zweite Nutzerbereich wendet sich auch, aber nicht nur, an Unternehmen, die ihre Mitarbeiter unterstützen wollen. „Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland 130 Millionen Fehltage wegen psychischer Probleme“, sagt Lisa Mutvar.
Auch Kurse bietet die App
Unterstützt von Videokursen, die in Zusammenarbeit mit freiberuflichen Psychologen, Trauerbegleitern, Paartherapeuten und anderen Experten speziell für belinu produziert wurden, sollen aber auch Herausforderungen wie Stress, Zeitmanagement und strukturiertes Arbeiten angegangen werden. Neben Experteninterviews enthalten die Kurse mehr als 200 Übungen. „Wir haben Kurse, die speziell darauf ausgelegt sind, ein besseres Arbeitsumfeld zu schaffen, aber auch die Mitarbeiter privat zu unterstützen“, sagt Lisa Mutvar, die zusammen mit ihren bundesweit verteilten Experten von Beutelsbach aus die Themenpalette ständig erweitert: „Wir bekommen von unserer Community viel zurückgespiegelt.“ Derzeit finden beispielsweise die Drehtage für einen Kurs über Konfliktmanagement statt. Obwohl die App erst seit wenigen Monaten online ist, nutzen sie bereits mehrere Tausend Menschen.
Ihre eigene Trauer hat Lisa Mutvar inzwischen verarbeitet. Mithilfe ihrer App sollen nun möglichst viele andere Menschen ebenfalls ihre ganz individuellen Probleme überwinden.