Die erste Fahrt nach Ulm – der große Andrang lässt auf sich warten. Foto: Torsten Schöll/Schöll

Der erste ICE ist im Regelverkehr über die Neubaustrecke nach Ulm gestartet. Noch lässt der große Andrang auf sich warten.

Mit einer Minute Verspätung um 7.16 Uhr ist am Sonntag der ICE 991 am Stuttgarter Hauptbahnhof abgefahren, um zum ersten Mal im Regelverkehr über die rund 60 Kilometer lange Neubaustrecke Wendlingen-Ulm die bayerische Landeshauptstadt zu erreichen. Wer aber anlässlich dieses Ereignisses und trotz zehnjähriger Bauzeit für die Trasse einen großen Bahnhof erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Nach der feierlichen Inbetriebnahme mit geladenen Gästen am vergangenen Freitag hatte die Bahn rund um die erste Fahrt auf weitere Festlichkeiten verzichtet. Der Andrang auf Bahnsteig 15 war deshalb überschaubar. Vielen Reisenden war nicht bewusst, dass sie in einem für das Bahnprojekt Stuttgart 21 geschichtsträchtigen Zug unterwegs sein würden. „Hätte es mir meine Mutter nicht gesagt, ich hätte es nicht gewusst“, sagte etwa eine jungen Frau.

Enttäuschung über zu wenig Tamtam

Doch ein paar Bahn-Enthusiasten hatte die Premiere dann doch angelockt. So wie Rainer Reddehase, der seine Enttäuschung nicht verhehlen konnte: „Es ist schon eine Frechheit von der Bahn, dass hier so gar kein Tamtam ist, nachdem so viele Milliarden ausgegeben worden sind“, kritisierte der Stuttgarter. Reddehase, der eine Masterarbeit über die Bedeutung von Stuttgart 21 für die Immobilienwirtschaft geschrieben hat, zeigte sich ansonsten begeistert: „Jetzt bin ich nur noch gespannt, ob wir alle so schnell in Ulm sind, wie angekündigt.“

Laut Fahrplan sollte der Zug um 7.58 Uhr die Donaustadt erreichen und damit knapp 15 Minuten schneller als bisher. In Ulm angekommen war der ICE aber sogar zwei Minuten früher. Eine Gruppe junger Männer kam eigens unter anderem aus Memmingen, Berlin, Winnenden und sogar Schleswig-Holstein nach Stuttgart, um den Premierenzug zu besteigen. Doch trotz aller Vorfreude – unkritisch zeigten sich die Bahnfreunde nicht: „Auch wenn Stuttgart 21 eine Fehlplanung ist“, betonte etwa der 22-jährige Benjamin Klöpfer aus Winnenden, „interessant sind die neue Bahnstrecke und der neue Bahnhof ja trotzdem.“

Die Filstalbrücke wird mit Spannung erwartet

Das sieht auch Ben Weiss so, der am Sonntagmorgen mit einem Freund am Bahnsteig wartete. „Früher war ich eher Gegner von S 21“, so der Stuttgarter. „Aber heute freue ich mich darüber, dass es jetzt schneller nach München geht.“

Um den ersten ICE auf der Neubaustrecke zu erleben, hat sich auch Simon Milewski extra etwas früher als ursprünglich geplant am Hauptbahnhof eingefunden: „Ich arbeite selbst bei der Bahn und fahre kein Auto. Das hat mich deshalb schon interessiert.“ Der 29-Jährige, der am Sonntag auf dem Weg in die Alpen war, hoffte sehr, dass der Zug schon bei seiner ersten Fahrt über die neue Trasse seine Höchstgeschwindigkeit von 250 Stundenkilometer erreicht. „Ich bin auch gespannt darauf, zum ersten Mal über die neue Filstalbrücke zu fahren“, sagte Milewski. Mit 85 Metern ist die Filstalbrücke die nun dritthöchste Eisenbahnbrücke Deutschlands.