Durch die neue Strecke über die Schwäbische Alb verkürzt sich die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Ulm von Dezember an zunächst um eine Viertelstunde. Foto: Deutsche Bahn /Volker Emersleben

250 Lokführer müssen für die neue Trasse zwischen Wendlingen und Ulm fit gemacht werden. Eine Probefahrt am Donnerstag verlief ohne Zwischenfälle.

In ziemlich genau einem Monat sollen die ersten Fahrgäste mit Tempo 250 auf der neuen Bahnstrecke zwischen Wendlingen und Ulm unterwegs sein. Projektchef Olaf Drescher, der in verantwortlicher Position auch schon die neuen Strecken zwischen Berlin und Hamburg sowie zwischen Berlin und München in Betrieb genommen hat, gibt für die verbleibenden Tage eine schlichte Parole aus: „testen, testen, testen“.

Mehr Züge nach München

Am Donnerstag hat Drescher die Strecke aus dem fahrenden Zug Medienvertretern präsentiert. Mit einem ICE ging es über die knapp 60 Kilometer lange und rund vier Milliarden Euro teure Strecke. Man habe gehörigen Respekt, aber auch viel Vorfreude. „Wir sind gespannt, wie die Reisenden die Strecke annehmen werden“. Die sparen von Mitte Dezember an zwischen Stuttgart und Ulm eine Viertelstunde Fahrzeit – wenn ihr Zug über die neue Strecke fährt. Längst nicht alle Züge zwischen Donau und Neckar sind das, einige nutzen weiterhin die bisherige Route durch das Filstal. Die Zahl der täglichen Züge zwischen Stuttgart und München erhöhe sich um 20 auf 90, rechnet die Bahn vor.

Noch läuft die Schulung der Lokführer auf Hochtouren, berichtet Raimund Räder, der für das Personal im Führerstand am Standort Stuttgart verantwortlich ist. „Seit September gibt es montags bis donnerstags täglich vier bis sechs Schulungsfahrten“. 250 Lokführer werden für die neue Strecke fit gemacht.

Einer davon ist Björn Tissies, der am Donnerstag den Zug gefahren ist. Angesprochen auf das neue, europaweit einheitliche Zugsicherungssystem ETCS, das von vielen als sehr komplex wahrgenommen wird, sagt Tissies. „Man muss etwas umdenken, aber es funktioniert gut. Die Zeit geht weiter, die Entwicklung lässt sich nicht aufhalten“. Für ihn war es die zehnte Fahrt über die neue Strecke. „Wenn über der Alb sich die Nebel lichten, ist das schon etwas Besonderes“, sagt er und zeigt, dass bei aller technischen Herausforderung offensichtlich auch noch Zeit bleibt, die Umgebung des Schienenstrangs wahrzunehmen.

Aus organisatorischen Gründen hat Tissies den Sonderzug über Ulm hinaus bis Günzburg gesteuert, was Gelegenheit bot, das Stückwerk der Infrastrukturplanung aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen. Während die neue Strecke zwischen Wendlingen und Ulm ab Dezember und die ausgebaute Strecke zwischen Augsburg und München bereits seit 2011 für kürzere Fahrzeiten zwischen der baden-württembergischen und der bayerischen Landeshauptstadt sorgen, haben Fahrgäste weiterhin viel Zeit zwischen Ulm und Augsburg, die Reize Bayrisch-Schwabens zu entdecken.

Statt der heute 38 Minuten soll die Fahrzeit im angestrebten Deutschland-Takt nur noch 26 Minuten betragen. Dazu muss eine neue Strecke gebaut werden. Die Planungen dazu sind erst angelaufen, eine Realisierung steht in den Sternen.

Strecke stand in der Kritik

Auch ohne diese Fortsetzung geht Olaf Drescher davon aus, dass auch die jetzt fertiggestellte Strecke nach Ulm bereits Wirkung zeigt. „Wir geben den Startschuss für die Mobilitätswende im Südwesten“, gibt er sich selbstbewusst. Die volle Leistungsfähigkeit der neuen Infrastruktur stelle sich aber erst mit der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 ein.

Anders als der neue Bahnknoten in der Stadt war die Strecke weniger umstritten. Kritik gab es gleichwohl, etwa vom heutigen Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der in seiner damaligen Funktion als Vorsitzender des Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung das finanzielle Engagement des Landes geißelte, das „das Vorziehen einer nachrangigen Strecke“ erkaufe. Skeptisch werden auch die langen Steigungsstrecken gesehen, die allerdings am Donnerstag der ICE der ersten Generation, der auch schon einige Jahre aus dem Buckel hat, gut bewältigte.

Tests gehen weiter

Mit der Inbetriebnahme der neuen Strecke, deren Bedeutung die beiden Oberbürgermeister Frank Nopper (Stuttgart) und Gunter Czisch (Ulm) nächste Woche würdigen wollen, gehen die Testfahrten weiter. Fürs kommende Jahr hat laut Olaf Drescher die französische Staatsbahn SNCF angekündigt, ihren Hochgeschwindigkeitszug TGV für die Strecke zulassen zu wollen.