Das „Urbane Dorf“ auf Kernens Hangweidenareal ist eines des Projekte für die Bauausstellung 2027. Foto: Frank Eppler

Es sei an der Zeit, praktisch ans Werk zu gehen, um in gut vier Jahren etwas vorzuweisen, so lautet der Tenor bei einem Plenum der Verantwortlichen in Kernen. Trotz oder gerade wegen mancher Hürden wie explodierender Baukosten.

Es hat schon fast ein wenig etwas vom Pfeifen im Wald, wenn bereits in der Einleitung zum Halbzeittreff aller Macher der Internationalen Bauausstellung 2027 Stadtregion Stuttgart als Erfolg gefeiert wird, dass alle Projekte auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen weiterlaufen sollen. Und die Erkenntnis, dass kriegsbedingte Unsicherheiten und explodierende Baukosten den Fortgang der ohnehin planerisch und in der Umsetzung anspruchsvollen Zukunftsprojekte für Leben und Wohnen in den kommenden Jahrzehnten mit Sicherheit nicht beschleunigen werden, hatte beim 10. IBA’27-Plenum auch der Gastgeber, Kernens Bürgermeister Benedikt Paulowitsch, durchaus mit im Blick.

Zumindest die Mitte soll bis 2027 zu sehen sein

Das „Urbane Dorf“ auf dem Hangweidenareal mit seinem zukünftigen modernen Lebensraum für 1300 Menschen auf acht Hektar Fläche werde im Ausstellungsjahr 2027 mit Sicherheit noch nicht komplett sein. Ziel bleibe aber auch unter schwieriger werdenden Bedingungen, zumindest die genossenschaftlich geprägte Mitte jenes „Zukunftsdorfes“ mit städtisch-zukunftsweisender Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur anno 2027 präsentieren zu können.

„Blick zurück nach vorn“ lautete das Motto gut fünf Jahre nach dem Start der IBA Initiative im Jahr 2017. Aus den Vorgesprächen berichtete IBA-Intendant Andreas Hofer von einer „besorgten, aber konstruktiven Stimmung“. Die Beteiligten trieben ihre Projekte voran, was um so wichtiger sei, weil gerade eine Internationale Bauausstellung auch unter widrigen Rahmenbedingungen zeigen müsse, dass „wir die Zukunft genauso gestalten können“. Und zusätzlich mache die Entwicklung der vergangenen Monate bautechnisch eines ganz klar, so scherzte der IBA-Intendant quasi baustellenaktuell: „Ich glaube, wir müssen nicht mehr über Gas-Thermen reden.“ Spannend finde er unter anderem, dass einige Projekte sich auch in einem übergreifenden Zusammenspiel mit dem Werkstoffpotenzial unterschiedlicher Projektbaustellen im Sinne einer echten stoffliche Kreislaufwirtschaft zusammen täten. Und was die Widrigkeiten der aktuellen Rahmenbedingungen angeht, ist Andreas Hofer zuversichtlich, dass die Projekte zu einem gute Ende gebracht werden. Wie? „Wir müssen Mut zum Tun zeigen, dann kann man sich über alles stellen.“

„Wir dürfen ruhig groß denken“

Als Part der Halbzeitbilanz vor der IBA’27 hat sich André Reichel, Professor für International Management & Sustainability an der Stuttgarter International School of Management, in einem soziologisch und gesellschaftspolitisch tiefschürfenden Vortrag mit der sich abzeichnenden beziehungsweise längst in Gang befindlichen Transformation in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik beschäftigt. Polarisierung und Singularisierung seien global Teil der Megatrends – „die nächsten Jahre werden eher konfliktreicher“. Gerade der Ungewissheiten wegen gelte aber für Projekte wie die IBA’27: „Wir dürfen ruhig groß denken, ohne Vision kann es keine zukunftsfähige Gesellschaft geben.“

Die Wirtschaft sei noch nicht ausreichend auf den IBA-Zug mit aufgesprungen, bemängelte Wirtschaftsförderer und IBA-Mitinitiator Walter Rogg in der abschließenden Podiumsdiskussion, bevor im bunt bestückten Rommelshausener Bürgersaal die Projektvertreter und Interessenten auf den „Marktplatz der IBA-Vorhaben“ entlassen wurden. Auf dem Podium hatte Suse Kletzin, einst Gemeinderätin in Stuttgart und aktiv für die IBA’27-Friends, noch der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass sich die Wirkung der Bauausstellung nach 2027 „noch potenziere“. Sorgen macht sie sich derweil um die Stuttgarter Keimzelle dieser Bauausstellung – „wenn ich sehe, wie ausgerechnet mein Weissenhof nicht aus den Puschen kommt“.

Die Vorhaben zur Internationalen Bauausstellung 2027

Gesamtprojekt
 Das IBA’27-Netz bringt „Vorhaben zusammen, die sich ehrgeizig mit der Zukunft des Bauens, Wohnens und Arbeitens in der Region Stuttgart auseinandersetzen“. Voraussetzungen für die Aufnahme sind Ausrichtung an Nachhaltigkeit, Zukunftsfähigkeit, Mut zum Experiment und „der Wille, weiter zu gehen als gewohnt“. Bisher wurden 160 Konzepte eingereicht. Gelistet sind derzeit 16 Projekte als Bauvorhaben mit Potenzial als Ausstellungsort und 79 Vorhaben.

Rems-Murr-Kreis
 Mit der „Quartiersentwicklung Hangweide“ (Kernen), dem „Quartier Backnang West“, dem Projekt „Produktives Stadtquartier Winnenden“ und „Agriculture meets Manufacturing“ (Fellbach) spielen vier der 16 Projekte im Kreis. Unter den 79 weiteren Vorhaben sind es sieben, je zwei in Schorndorf, Remshalden und Waiblingen sowie eines Weinstadt.