Leonie Heptner und Yvone Akuoko (von links) von der Schülermitverwaltung des Ferdinand-Porsche-Gymnasiums präsentieren den schicken Spender, der Hygieneartikel auswirft. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Stadt Stuttgart denkt über die Ausstattung von Toiletten in Rathäusern und Bürgerbüros mit Automaten für Binden und Tampons nach. Für Schulen ist das nicht geplant. Das Ferdinand-Porsche-Gymnasium hat deshalb Eigeninitiative ergriffen.

Hygieneartikel für die Menstruation haben zwei Nachteile: sie sind teuer und sie sind vor allem bei jungen Mädchen oft nicht griffbereit, wenn sie gebraucht werden. An den Schulen sind die Sekretariate deshalb auch Notausgabestellen für Binden und Tampons. „Ich war erstaunt, wie oft Mädchen aus diesem Grund bei den Sekretärinnen aufkreuzen“, sagt Ulrich Göser, Rektor des Ferdinand-Porsche-Gymnasiums.

Ein Herzensprojekt

Die Schülermitverwaltung (SMV) hat die Diskussion zum Thema angestoßen – und Göser ist zur Tat geschritten. „Ich habe einen stylischen Automaten für 149 Euro über unseren Schuletat gekauft und anbringen lassen.“ Die SMV-Schülerinnen hätten den neuen Spender per Durchsage publik gemacht und auf Instagram verbreitet: „Seit einer Woche steht eines unserer Herzensprojekte im Mädchen-WC. Wir hoffen, dass ihr euch genauso arg freut wie wir, dass jede jetzt ihre Menstruationsprodukte im WC bekommt und nicht nur bei unseren lieben Sekretärinnen. Geht bitte sorgsam damit um, damit das lange stehen bleiben kann.“

Der Hygieneautomat scheint nicht nur die Rettung für Vergessliche oder Schülerinnen zu sein, die von ihrer Periode überrascht werden. Eine Einlage aus Klopapier musste bisher helfen. „Beim Girls Day haben wir schon erlebt, dass Mädchen Strümpfe als Einlagen verwendet haben, weil sie kein Geld hatten für Binden“, sagt Beatrice Olgun-Lichtenberg, die Interimsleiterin der Gleichstellungsstelle. „Die Strümpfe können sie waschen und wiederverwenden.“

Grüne wollen auch Rathäuser ausstatten

Die Grünen haben aus demselben Grund bei den Beratungen zum Doppelhaushalt 2022/23 beantragt, in Toiletten der Rathäuser und Bürgerbüros kostenlos Tampons und Binden bereitzustellen. 10 000 Euro sind in den Doppelhaushalt eingestellt worden, die Gleichstellungsstelle soll nun die zu erwartenden Kosten ermitteln und befragt derzeit andere Kommunen zu ihren Erfahrungen mit diesen Hygieneautomaten. Ein Ergänzungsantrag der Fraktionsgemeinschaft Puls habe keine Mehrheit im Gemeinderat gefunden, so Beatrice Olgun-Lichtenberg, die Interimsleiterin der Gleichstellungsstelle.

Puls wollte die kostenfreie Bereitstellung von Menstruationshygieneartikeln „an allen Stuttgarter Schulen, die Klassenstufen 5 und aufwärts“. „Den Schulen ist es freigestellt, Menstruationsprodukte aus dem eigenständig zu bewirtschaftenden Schulbudget zu beschaffen und für die Schülerinnen im Bedarfsfall kostenfrei zur Verfügung zu stellen. In welcher Form dies an den Schulen erfolgt, entscheiden die Schulen eigenverantwortlich“, teilt das Schulverwaltungsamt auf Anfrage mit. Dementsprechend ist man mit Einzelanfragen verfahren: „Man hat uns empfohlen, ein Körbchen aufzustellen“, sagt der Schulleiter Ulrich Göser.

Im Abo billiger

Bisher sind die Hygieneartikel am Ferdinand-Porsche-Gymnasium durch Spenden finanziert worden, jetzt hat die Schule ein Monatsabonnement mit dem Automatenverkäufer abgeschlossen. „Wir bekommen jetzt jeden Monat eine Lieferung Hygieneartikel, denn die ist im Abo zehn Prozent billiger“, sagt Sekretärin Angelika Seeger.

Die Landtagsabgeordnete der Grünen, Stefanie Seemann, und die Bundestagsabgeordnete der SPD, Leni Breymaier, sehen die Sache jedenfalls ganz anders als das Schulverwaltungsamt der Stadt Stuttgart; sie sehen definitiv Nachholbedarf in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Universitäten. Immerhin: Die Uni Stuttgart folgt seit Kurzem dem Beispiel vieler anderer Universitäten in Deutschland und Frankreich.

Wie der Staat Bedarf und Ausgaben kalkuliert

Hartz IV
Das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld sind Teil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und damit Teil der Leistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Der Regelbedarf umfasst Bedarfe für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie (ohne Heizung und Warmwasser) sowie Bedarfe zur Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben.

Regelsätze
Die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze erfolgt an Hand der statistisch erfassten Daten von rund 60 000 Haushalten (ohne Hartz-IV-Haushalte) zu Einnahmen und Ausgaben und orientiert sich an den unteren 20 Prozent der Haushalte.

Anspruch
Seit Januar 2022 steht Alleinstehenden und Alleinerziehenden ein Betrag von 449 Euro im Monat zu. 376 Euro gibt es für Kinder in der Bedarfsgemeinschaft von 14 bis 17 Jahren sowie unter 25-Jährige in Ausbildung. Für 6- bis 13-Jährige steht den Familien 311 Euro, für Jüngere 285 Euro zu.

Aufteilung
Für Gesundheitspflege sind 17,14 Euro (3,82 Prozent) pro Monat vorgesehen. Den höchsten Anteil am Regelsatz haben Ausgaben für Nahrung und Getränke mit 34,7 Prozent, den geringsten Anteil haben die Ausgaben für Bildung: 0,36 Prozent, umgerechnet also 1,62 Euro von 449 Euro im Monat. Kindern steht allerdings einmal im Schuljahr ein Zuschuss in Höhe von 156 Euro aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu. czi