Iris Sailer redet auch auf Hochzeiten und hat ein Buch geschrieben. Foto: oh Quelle: Unbekannt

Wie viele Ausbildungen und Qualifikationen sie hat, hat Iris Sailer noch nicht genau gezählt. Vieles was sie für die Trauerbegleitung, für Trauer- und Hochzeitsreden braucht, hängt auch von ihren eigenen Erlebnissen und deren Verarbeitung ab. Fast 1000 Trauerreden hat sie bislang gehalten.

Von Peter Dietrich

„Auf manche Erfahrung könnte ich verzichten“, sagt die 47-Jährige. Iris Sailers intensive Auseinandersetzung mit dem Tod begann im Jahr 1995, in dem ihr Schwiegervater und ein Onkel starben, ein Jahr später folgte ihr Vater. 2015 starb eine Tochter, eines von fünf Kindern, an Krebs. Sie hielt die Trauerfeier für ihre eigene Tochter.

Eine Ausbildung für Trauerbegleitung fehlte in den 1990er-Jahren in Baden-Württemberg, also fuhr Sailer drei Jahre lang an Wochenenden nach München. Beim DRK qualifizierte sie sich zur Krisenhelferin. Fünf Jahre lang leitete sie mit anderen die heutige Psychosoziale Notfallversorgung in Esslingen. „Könnten Sie auch die Trauerfeier halten?“ „Ich, vor Menschen sprechen, niemals“, dachte Sailer bei dieser Anfrage. Die Ausbildung zur Freien Trauerrednerin machte sie in Hessen, ist nun im zehnten Jahr mit jährlich bis zu 180 Trauerfeiern. Sie ließ sich auch zur Freien Hochzeitsrednerin ausbilden, macht bis zu 25 Hochzeiten im Jahr. Die Gestaltung einer Willkommensfeier für ein Kind hat sie sich selbst beigebracht.

„Es war nicht so schlimm, wie ich gedacht habe.“ Das hört Sailer nach Gesprächen mit Angehörigen immer wieder. „Sie entscheiden, was ich erzähle.“ Doch an einem hält Sailer fest: „Ich lüge nicht.“ Sie macht keinen Schläger zum „treu sorgenden Ehemann“. Nach so vielen Trauerreden hat sie ein Gespür. „Ich kann auch unbequem werden“, sagt sie. Wenn sie nach ihrer Rede gefragt wird, wie lange sie den Verstorbenen gekannt habe, oder ein „genauso war er“ hört, weiß sie, dass sie diesem Menschen entsprochen hat.

Was geht ihr zu Herzen? „Kinder sind etwas Besonderes“, sagt Sailer. Ob man bei diesem Beruf nicht verrückt werde, wird sie manchmal gefragt. „Ich bekomme immer eine Fülle von Leben erzählt.“ Schätzt man das Leben im Angesicht des Todes mehr? „Definitiv, es verliert seine Selbstverständlichkeit. Es ist wichtig, im Hier und Jetzt zu leben.“

Manche kommen durch Bestattungsinstitute zu Sailer, andere durch Empfehlung. Etwa 40 Prozent sind Kirchenmitglieder, aber sie kennen den Pfarrer nicht oder sind enttäuscht, weil er nicht zum 80. Geburtstag kam. Ihr Einzugsgebiet reicht bis Baden-Baden. In Holzmaden hat sie erst wenige Trauerreden gehalten: „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.“

Eine Trauerfeier wird meist kurzfristig vorbereitet. Ganz anders eine Hochzeit, bei einer solchen trat Sailer schon auf einer Burg im mittelalterlichen Kostüm auf. Wenn es ein Paar möchte, erfragt sie das Ja-Wort auch auf Türkisch oder Finnisch. Ihren Angestelltenjob hat Sailer aufgegeben, kann nun von ihrer freiberuflichen Tätigkeit leben.

Wird Trauerbegleitung von den Krankenkassen unterstützt? „Schön wäre es.“ Mancher kommt durch drei Termine wieder ins richtige Fahrwasser, ein anderer braucht ein ganzes Jahr. Als sie merkte, wie sie bei der Trauerbegleitung und Beratung an Grenzen kam, hat sich Sailer wieder fortgebildet, ist nun als Systemische Beraterin (AFS) zertifiziert. Mindestens einmal im Monat geht sie zur Supervision. „Das gehört zu meiner Arbeit dazu.“ Sie hat schon selbst Trauerbegleitung in Anspruch genommen. „Noch denken manche Schwaben, das braucht man nicht, vor allem auf dem Land.“ Es hänge davon ab, wie wichtig man sich selbst sei.

Sailer leitet Trauerkreise bei Familienbildungsstätten, spricht bei IG-Metall-Senioren über „Glück im Alltag“ und ist zur Buchautorin geworden. Ihr Dankeschön für Menschen, die in schweren Zeiten für andere da sind, hat sie beim Tod ihrer Tochter zum Verschenken gestaltet. Dann wollten es andere kaufen, so kam es auf Sailers Internetseite.

www.irissailer.de