Heidenheimer Erfolgsduo: Vorstandschef Sanwald (li.), Trainer Frank Schmidt Foto: imago/Eibner

Holger Sanwald ist der Mann hinter den Erfolgen von VfB-Gegner 1. FC Heidenheim. Im Interview erklärt der Clubchef, wie es funktioniert, zwölfeinhalb Jahre mit einem Trainer zusammenzuarbeiten.

Heidenheim - In seiner Kindheit trug Holger Sanwald begeistert das Frottesana-Trikot von VfB-Star Hansi Müller, heute leitet der 52-Jährige 90 Kilometer weiter östlich die Geschicke vom kommenden Gegner 1. FC Heidenheim. Und schreibt dort gemeinsam mit Trainer Frank Schmidt eine einzigartige Geschichte.

Herr Sanwald, die 1:2-Heimniederlage des VfB im Herbst 2016 gegen den 1. FC Heidenheim gilt vielen in Stuttgart bis heute als Tiefpunkt der jüngeren Vereinsgeschichte. Ärgert Sie diese Betrachtungsweise?

Nein, überhaupt nicht. Außerdem glaube ich nicht, dass das beim VfB jemand so sieht. Höchstens bei den Fans. Aber das tangiert uns nicht.

Am Mittwoch können Sie dem VfB im eigenen Stadion erneut eine lange Nase drehen. Darf man von einer sehr motivierten Heidenheimer Mannschaft ausgehen?

Quatsch. Natürlich sind wir motiviert. Aber das sind wir immer. Und nicht, weil es gegen den VfB Stuttgart geht. Der VfB ist in unserer gesamten Region ein anerkannter, sympathischer Verein. Für uns gibt es keinen Grund, dieses Spiel zu überhöhen.

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Als Tabellenvierter liegen Sie knapp hinter den Aufstiegsrängen in Lauerstellung. Ist der FCH reif für die Bundesliga?

Das Ziel Bundesliga gibt es bei uns nicht. Wir haben mit 30 Punkten bisher die beste Saison der Vereinsgeschichte gespielt. Das wollen wir fortsetzen.

Sollten der Hamburger SV und der VfB weiter schwächeln, würden Sie sich gegen den Aufstieg aber nicht wehren.

Ich gehe davon aus, dass die Favoriten in der Rückrunde ins Rollen kommen werden. Aber klar: Wenn nicht, wollen wir da sein.

Was nochmal zu der Frage nach der Bundesliga-Reife führt: Würden die Rahmenbedingungen in Heidenheim fürs Oberhaus passen?

Im Moment nicht. Wir sind noch nicht reif für die erste Liga. Das sind unterschiedliche Welten. Wir sind nach sechs Jahren auf dem besten Weg, uns fest in der zweiten Liga zu etablieren.

Mit 35-Millionen-Etat im vorderen Mittelfeld der Liga

Die zweite Liga wird doch aber sicher auch in Heidenheim irgendwann langweilig.

Absolut nicht. Es geht immer wieder gegen andere Topteams wie gegen den VfB. Für uns sind auch Spiele gegen Bochum oder St.Pauli immer noch etwas Besonderes.

Heidenheim wird immer als kleines Licht gesehen. Wo bewegen Sie sich finanziell in der Liga?

Mittlerweile gehören wir mit einer Etatgröße von 35 Millionen Euro zum vorderen Mittelfeld. Wir müssen uns also auch nicht kleiner machen, als wir sind.

Sie haben den Club seit 1994 aus der Landesliga Stück für Stück nach oben geführt. Was war der entscheidende Baustein für dieses Erfolgsmodell?

Dass es mir gelungen ist, sehr viele gute Leute in den Verein zu holen und für den Verein zu begeistern. Hier ziehen alle an einem Strang, von Oberbürgermeister Bernhard Ilg über unsere Partner und Sponsoren bis zu den Spielern und Mitarbeitern. Wir haben eine breite Basis, für One-Man-Shows ist kein Platz.

Der Club will keinen Glamourfaktor

Das Händchen für die richtigen Leute hat nicht jeder. Geben Sie uns einen Tipp!

Gesunder Menschenverstand ist das Entscheidende. Ich führe beinahe jeden Tag Vorstellungsgespräche. Wenn ich das Gefühl habe, das ist ein Spinner oder ein Selbstdarsteller, dann ist es gleich vorbei. Wer bei uns arbeitet, muss schaffig, geerdet und normal sein. Nach solchen Leuten schauen wir. Damit erzeugen wir sicher nicht den größten Glamourfaktor. Aber so ist es mir lieber.

Trainer Frank Schmidt war wohl Ihr größter Glücksgriff. Wie verhindert man auch nach zwölfeinhalb gemeinsamen Jahren Abnutzungserscheinungen?

Frank bringt ein ungemein großes Maß an Eigenmotivation auf. Er schafft es immer wieder, andere Reizpunkte zu setzen und Neues zu vermitteln – selbst einem Spieler wie Marc Schnatterer, der selbst schon seit über elf Jahren für uns spielt.

Haben Sie schon mal darüber gesprochen, ob und wann der gemeinsame Weg irgendwann einmal zu Ende geht?

Nicht ein Wort. Wenn ich mit Frank über die Zukunft rede, geht es einzig darum, ihm Perspektiven aufzuzeigen, damit er noch möglichst lange bei uns bleibt.

Wie übersteht man Krisen?

Und Krisen – die es in Heidenheim auch schon gab – wie überstehen Sie die?

Wir halten das aus. Obwohl es bei uns im Prinzip nicht anders zugeht als bei vielen anderen Vereinen. Wenn wir fünfmal verlieren, pfeifen die Leute auch und sagen, der Schmidt und der Sanwald haben sich abgenutzt. Dann verlieren wir aber nicht die Nerven, sondern überlegen, wie wir dem Trainer helfen können, wieder in die Spur zu kommen. Früher habe ich viel zu schnell Trainer entlassen – bis ich gemerkt habe, dass das zu nichts führt.

Wieviele Angebote von größeren Clubs sind für Sie und Frank Schmidt schon ins Haus geflattert?

Für Frank? Keine Ahnung. Für mich kein einziges. Ich will auch keines.