Bei den Gaspreisen für Haushaltskunden ist keine Entwarnung in Sicht. Foto: IMAGO/Christian Ohde

Grundversorgungstarife waren für viele Gaskunden dieses Jahr eine Rettung. Nun ist aber auch bei ihnen vielerorts ein deutlicher Preisanstieg zu beobachten. Wir bieten Tipps für Verbraucher.

Viele Haushalte sind nach massiven Preiserhöhungen für Gas und Strom in die Grundversorgung geflohen. Sie war zuvor ein Fall für wechselscheue Stammkunden oder ein Auffangbecken für Haushalte, die neu ans Netz gehen oder denen ihr bisheriger Anbieter gekündigt hat – und oft teuer. Infolge krasser Preissteigerungen wurde die Grundversorgung vielerorts attraktiv. Doch nun erhöhen auch die Grundversorger ihre Preise – wie stark, zeigen Daten des Vergleichsportals Verivox, die unsere Zeitung exklusiv erhalten hat.

Wie entwickeln sich die Tarife?

Zwischen 1100 und 1800 Euro kosteten vor der Energiekrise 20 000 Kilowattstunden (kWh) Gas in der Grundversorgung, der Bedarf eines typischen Vier-Personen-Haushalts. Künftig verlangt der günstigste Anbieter knapp 1500 Euro, der teuerste mit fast 6900 Euro mehr als viermal so viel. Beim Strom fällt die Spreizung weniger stark aus.

Was ist das Geheimnis günstiger Preise?

Die Stadtwerke Ettlingen verlangen günstige 8,4 Cent je kWh Gas. Für den Kundenstamm sei „der Bedarf auf lange Sicht sehr gut planbar“, so eine Sprecherin. Bundesweit auftretende Wettbewerber decken sich kurzfristiger und derzeit teurer ein. Insgesamt hätten Grundversorger „derzeit einen Wettbewerbsvorteil“, so ein Verivox-Sprecher.

Lohnt der Wechsel zum Grundversorger?

Das hängt vom Wohnort und dem für das Netzgebiet zuständigen Grundversorger ab. In den günstigen Tarif der Stadtwerke Ettlingen können nur Ettlinger Haushalte wechseln. Für Haushalte in Altensteig (Kreis Calw) oder Herrenberg (Kreis Böblingen) sind die Tarife der dortigen Stadtwerke unattraktiv. Laut der Verivox-Daten verlangen 50 Grundversorger im Land vom 1. Januar an für Gas mehr als doppelt so viel wie Anfang 2022. Wie lange die günstigen Grundversorger ihre Preise halten können, ist unklar. Eine Preisgarantie bis Ende 2023 sei „nicht denkbar“, so die Ettlinger Sprecherin.

Warum steigen viele Tarife so stark?

Wegen des hohen Zulaufs, für den die Grundversorger sich nicht frühzeitig eindecken konnten. Ende 2021 kündigten Anbieter wie Gas.de allen Kunden – diese landeten automatisch in der Grundversorgung, ebenso wie außerhalb Schleswig-Holsteins belieferte Kunden, deren Verträge die Stadtwerke Flensburg derzeit auslaufen lassen. Sie sind einer von mehreren Anbietern, die künftig nur noch regional liefern, und bringen dem Vernehmen nach weitere rund 45 000 Kunden in die Grundversorgung – falls diese keinen anderweitigen Tarif abschließen.

Wie reagieren kleine Stadtwerke?

Die Stadtwerke Altensteig sind von Januar an teuerster Gas-Grundversorger im Land. Der technische Werkleiter Günther Garbe berichtet, die Kundenzahl in der Grundversorgung habe sich dieses Jahr auf etwa 70 verdoppelt. Für die wenigen Stammkunden habe man langfristig und günstig einkaufen können. Wegen der unerwartet vielen Neukunden sei man nun aber den Verwerfungen am Markt ausgesetzt: „Es geht nicht anders“, als die Preise massiv zu erhöhen.

Sind so krasse Erhöhungen nicht illegal?

Die Bundesregierung strebt mit Einführung der Gas- und Strompreisbremsen eine verschärfte Preisaufsicht an. Davor ist Garbe nicht bange. „Wir mussten so kalkulieren und können das auch gut begründen.“ Schwarze Schafe seien Anbieter, die mit hohen Boni um Neukunden würben und sich das Geld vom Staat holten. Bekanntlich deckeln die Preisbremsen 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs bei 12 (Gas) beziehungsweise 40 Cent (Strom) je kWh. Die Differenz zum vertraglich vereinbarten Preis erhalten Versorger vom Staat. Und die Mehrkosten der Kunden aus den restlichen 20 Prozent gleicht im Zweifel der Bonus aus. Es könnte für sie also attraktiv sein, unangemessen hohe kWh-Preise festzusetzen. Genau solche Angebote will die Regierung unterbinden.

Was also tun?

Für viele Kunden bleibt die Grundversorgung der günstigste Tarif. Vergleichen kann sich trotzdem lohnen – etwa für Kunden in Neuffen, wo die Stadtwerke mit einem Kilowattstundenpreis von mehr als 90 Cent landesweit teuerster Grundversorger für Strom sind. In Neuffen war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass die Stadtwerke damit auch Neukunden abschrecken wollen. Gerade für kleinere Stadtwerke ist es derzeit schwierig, überhaupt einen Lieferanten zu finden. Einige Kleinstversorger haben den Vertrieb bereits ganz aufgegeben, andere werden die Preise weiter erhöhen. Deshalb kann sich der Wechsel zu einem bundesweit aktiven Anbieter für Verbraucher unter Umständen rechnen.