Ist Olaf Scholz unter die Narren gegangen? Oder hat er sich selbst durch eine unpässliche Äußerung auf einer privaten Feier zu einem solchen gemacht? Die „Hofnarr“-Äußerung des Kanzlers zieht immer breitere Kreis. Doch was ist überhaupt ein Hofnarr und welche Aufgabe hatte er am Hof? Eine historische Spurensuche.
Nach dem medialen Wirbel um eine Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz hat der SPD-Spitzenkandidat mit dem Berliner Kultursenator Joe Chialo telefoniert. Scholz hatte Chialo auf einer privaten Geburtstagsfeier als „Hofnarr“ der Union bezeichnet und damit scharfe Kritik auf sich gezogen.
Scholz: „Nicht rassistisch konnotiert“
Scholz gab nach der Veröffentlichung eines entsprechenden „Focus“-Berichts zu, den Begriff für den CDU-Politiker mit Wurzeln in Tansania verwendet zu haben. Von CDU-Seite wurde ihm Rassismus gegen den schwarzen Kultursenator vorgeworfen, was Scholz und die SPD strikt zurückwiesen.
Der von ihm verwandte Begriff sei „im Sprachgebrauch nicht rassistisch konnotiert (bewertet, d. Red.) und war von mir auch nie so intendiert“, wird Scholz in einer Mitteilung des SPD-Parteivorstands zitiert. Eine SPD-Sprecherin bestätigt, dass Scholz sich mit der Erklärung auf den Begriff „Hofnarr“ bezogen habe. „Der erhobene Vorwurf des Rassismus ist absurd und künstlich konstruiert“, erklärt der Kanzler weiter.
Wer war der Hofnarr?
Zum Hofstaat mittelalterlicher Herren gehörte seit dem frühen 12. Jahrhundert vielerorts ein Hofnarr. Er galt als geistreicher Spaßmacher, der oft von auffälligem, das heißt kleinwüchsigem, buckligem, langnasigem oder schiefmäuligem Aussehen war.
Vor allem nach dem Ende der Kreuzzüge im 13. Jahrhundert kamen Hofnarren als professionelle Spaßmacher an den Höfen der Fürsten sowie in den Häusern von reichen und vornehmen Herren auf. Sie wurden auch Räthe, Tischräthe oder Schalksnarren genannt.
Possenreißer und Spötter
Wer verkrüppelt oder missgestaltet, von zwergenhaftem Wuchs oder bucklig war, konnte mitunter als Hofnarr sein Leben fristen. Lächerlich aufgeputzt mimte er den Possenreißer, der sich auf Späße der derbsten Art verstand und die feinen Herrschaften durch Grimassen, Zoten, Possen und plumpe Späße ergötzte.
Vielfach handelte es sich bei den Possenreißern um geistreiche und witzige Köpfe, welche die Narrenmiene nur aufsetzten, um lauter, ungenierter und beißender die Wahrheit in Spottform äußern zu dürfen.
Privilegien des Hofnarren
Hofnarren hatten das Privileg, über alles reden zu dürfen, was ihnen gerade einfiel. Oft nutzten sie diesen Freibrief, um ihren Herren auf witzige Weise Wahrheiten zu sagen, die jeder Andere – aus Angst um sein körperliches Wohlergehen – nicht auszusprechen wagte.
Im Gegenzug wurden die Narren oft wie Leibeigene behandelt, was Beleidigungen und Züchtigungen beinhaltete.
Kunterbunte Kleidung, Schellen und Narrenkappe
Auf dem geschorenen Schädel trugen Hofnarren eine eigentümliche Narrenkappe mit Eselsohren und Hahnenkamm– auch Kogel bzw. Gugel genannt. An der kunterbunten Kleidung waren Schellen genäht. Die Waffe des Hofnarren war der Narrenkolben bzw. das Narrenzepter. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts verschwanden die Hofnarren schließlich sukzessive von den Höfen.
Gewissen seines Herrn
Der Hofnarr war über Jahrhunderte fester Standteil eines Hofstaates. Er sollte in erster Linie nicht belustigen, sondern seine Herrschaft ständig daran erinnern, dass auch ihr Dasein vergänglich war und sie zu jeder Zeit der Sünde verfallen könnte.
Der Hofnarr durfte aufgrund seiner besonderen Stellung, die ihn zum Sonderling ohne Bindung an gesellschaftliche Normen machte, Kritik am Herrscher äußern. Er hatte buchstäblich Narrenfreiheit.
Info: Hofnarren im Bundestag
Günter Nooke vs Wolfgang Thierse
Olaf Scholz ist nicht der erste bundesdeutsche Politiker, der sich für eine „Hofnarr“-Titulierung Ärger eingehandelt hat. Im Februar 2002 wurde der ostdeutsche CDU-Politiker Günter Nooke für seine Kritik an der SPD-Politik für Ostdeutschland von der damaligen Bundestagsvizepräsidentin Anke Fuchs (SPD) gerügt. Um das angebliche Defizit der Regierungspartei in der Politik für Ostdeutschland zu belegen, hatte Nooke in der Etat-Debatte über zwei ostdeutsche SPD-Politiker gesagt: „Herr Thierse gibt den Hofnarren und Herrn Schwanitz kennt keiner“. Fuchs rügte diese Bezeichnung für Bundestagspräsident Wolfgang Thierse als Beleidigung von dessen Amt. Zu Nookes Bewertung von Rolf Schwanitz – im Kanzleramt damals als Staatsminister zuständig für Ostdeutschland – sagte Fuchs nichts.
Peter Sodann vs Guido Westerwelle
Der damalige Kandidat der Linken für das Amt des Bundespräsidenten, Schauspieler Peter Sodann, sah sich im November 2008 nicht als Hofnarren. Diese Rolle sei zwar in früheren Zeiten wichtig gewesen. „Aber damit eines klar ist: Ich übernehme die Rolle des Hofnarren nicht.“ Nach Ansicht Sodanns gab es seinerzeit in Deutschland genügend Hofnarren, „aber keinen von Rang“. Der FPD-Vorsitzende Guido Westerwelle sei ein „absoluter Hofnarr“, weil er sage, er – Sodann – „würde programmatisch das erfüllen, was die NPD will“.