Neu in den Blick geraten ist die Rutschung einer längst stillgelegten Erddeponie in Berglen-Kottweil.  Wer kommt für die Schäden auf? Foto: Rems-Murr-Kreis

Die Wiederherstellung der öffentlichen Infrastruktur, die bei der Hochwasserkatastrophe vor drei Monaten zerstört wurde, wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Der Landrat ist dennoch zuversichtlich.

Eine einzige Nacht hat ausgereicht, um ganze Landstriche ins Schutt und Schlamm zu legen. Gut drei Monate nach der Hochwasserkatastrophe im Rems-Murr-Kreis hat das Landratsamt nun eine dezidierte Analyse der Schäden vorgelegt und Perspektiven für deren Beseitigung aufgezeigt.

Das Ausmaß der Schäden, welche die Wassermassen angerichtet haben, die sich in der Zeit zwischen dem 1. und dem 3. Juni zum Teil in nur wenigen Stunden insbesondere auf das Wieslauftal ergossen haben, summiert sich demnach auf 330 Millionen Euro. Rund 136 Millionen Euro davon entfallen auf die öffentliche Infrastruktur. Die Spur der Verwüstung zieht sich durch nahezu alle Bereiche – von Straßen und Hängen über Sportstätten und Schulen bis hin zu Kläranlagen oder den Forst.

Durch Rudersberg war Anfang Juni eine riesige Flutwelle geschwappt. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Die gute Nachricht laut Landratsamt: Der Großteil der Schäden im Bereich der öffentlichen Infrastruktur kann wohl über Landesförderprogramme und Versicherungen geltend gemacht werden. Aber: Der Förderdschungel mit seinen 29 verschiedenen Programmen ist mehr als unübersichtlich und nicht für jede Kommune passend. Doch man sei nach einigen Gesprächen jetzt zuversichtlich, dass die Bedingungen für eine Förderung flexibler an die Situation angepasst würden, sagt der Landrat Richard Sigel: „Der gute Wille des Landes ist erkennbar, wir vertrauen auf gute Lösungen.“ Zudem habe das Land – auf massives Drängen des Landkreises und seiner Kommunen – über die Fachförderprogramme hinaus inzwischen ein zusätzliches Hilfspaket für Kommunen in Höhe von 25 Millionen Euro beschlossen.

Soforthilfe für Schorndorf und Rudersberg

13,5 Millionen davon fließen in den Rems-Murr-Kreis. Jeweils drei Millionen Euro hat das Landratsamt, das die Verteilung der zusätzlichen Mittel koordiniert, der Gemeinde Rudersberg und der Stadt Schorndorf bereits als eine erste Liquiditätshilfe überwiesen. Landrat Sigel ist auch für den eigenen Zuständigkeitsbereich guten Mutes: Bis auf ein paar offene Punkte – etwa die Abrechnung eines mit 1,5 Millionen taxierten Großschadens durch einen Erdrutsch auf der stillgelegten Erddeponie Berglen-Kottweil – sei die Aufarbeitung der Schäden im öffentlichen Bereich mit Unterstützung des Landes „auf einem guten Weg“. Allerdings werde die komplette Beseitigung noch einige Zeit brauchen.

Mit Hilfe der Abfallwirtschaftsgesellschaft sind Berge von Müll und Schutt bereits entsorgt worden. Foto: Rems-Murr-Kreis/ 

Während mit Hilfe der Abfallwirtschaftsgesellschaft längst Müllberg um Müllberg abgetragen wurde – rund 8000 Tonnen Sperrmüll aus Privathaushalten wurden gebührenfrei entsorgt – sind die Auswirkungen der Überflutungen insbesondere im Straßennetz noch deutlich sichtbar. Insgesamt 226 Maßnahmen im Kreisgebiet stehen wegen des Hochwassers an oder sind bereits erledigt worden. Einige Strecken aber sind so stark beschädigt, dass eine umfassende Sanierung nötig ist.

Allein die Reparatur der Kreisstraßen wird mit mehr als zehn Millionen Euro zu Buche schlagen, Gemeinde- oder Landesstraßen sind da nicht mit einberechnet. Alle größeren Schäden sind vom Landratsamt gebündelt und in einem „Maßnahmenplan Straßeninfrastruktur“ zusammengefasst worden. Laut dem Baudezernenten Stefan Hein werden dazu aktuell Gutachten erstellt. Darunter sind auch die wegen Hangrutschungen komplett gesperrten Strecken zwischen Birkenweißbuch und Oppelsbohm sowie zwischen Lutzenberg und Rudersberg. Ihre Sanierung soll nach Möglichkeit dann im Frühjahr des kommenden Jahres angegangen werden.

Wieslauftalbahn kann repariert werden

Die Schäden auf der Wieslauftalbahn sind wohl geringer als erwartet. Foto: Frank Rodenhausen

Wann die seither stillgelegte Wieslauftalbahn wieder fahren wird, ist hingegen noch offen. Allerdings gibt es auch hier eine positive Botschaft. Von der mit 20 Millionen Euro gedeckelten Versicherungssumme wird man in der Endabrechnung entgegen ersten Prognosen offenkundig doch weit entfernt sein. Das Landratsamt geht von einem Schaden an der Strecke in Höhe von von knapp fünf Millionen Euro aus. Und die Fahrzeuge sollen nun über einen provisorisch geflickten Schienenweg zu einer Spezialfirma gefahren und dort begutachtet werden. Das Land Baden-Württemberg hat grundsätzlich die Zusage gegeben, alle nicht von der Versicherung übernommenen Schäden zu drei Vierteln zu fördern.

Spenden statt Förderprogramme für Privatpersonen

Nicht umfasst von den Förderprogrammen und Landeshilfen sind hingegen Hochwasserschäden von Privatpersonen und Unternehmen. Dank der Spendenbereitschaft vieler Menschen konnten laut Angaben des Landratsamts aber inzwischen mehr als zwei Millionen Euro gesammelt werden und für die Unterstützung einer Vielzahl von nicht versicherten Schäden und Problemen genutzt werden. „Die Dankbarkeit der Betroffenen und Vereine für die sehr unbürokratische Hilfe war und ist sehr groß“, so der Landrat. Auch die Resonanz auf die von Kreis und Kommunen organisierten Beratungsveranstaltungen sei enorm gewesen. Manches indes ist schwer zu beziffern. In Rudersberg etwa droht nicht wenigen Menschen nach den Schäden am eigenen Häusle nun auch der Verlust des Arbeitsplatzes. Der Fensterbauer Weru hatte angekündigt, seine bei dem Hochwasser völlig zerstörte Produktion im Ort nicht wieder aufbauen zu wollen und stattdessen nach Ostdeutschland zu verlagern. Mindestens 150 Arbeitsplätze sind davon betroffen.

Bei Weru in Rudersberg ist die ganze Produktion zerstört worden. Foto: Weru/ 

Das Resümee? Auch in Zukunft werde aufgrund des Klimawandels mit Extremereignissen wie denen von Juni zu rechnen sein, das denkt auch der Landrat Richard Sigel. Verhindern werde man sie kaum können. Aber es helfe, wenn man darauf vorbereitet und in Sachen Katastrophenschutz gut aufgestellt sei. Auch die in den vergangenen Jahren getätigten Investitionen in die Infrastruktur hätten sich ausgezahlt. Das zeige sich etwa in Sachen Straßenbau. „Den Strecken, die wir instand gesetzt haben, haben auch Starkregen und Überflutungen nichts anhaben können.“