Brennpunkt Berliner Straße in Esslingen: Die dritte Ampel sollte das wilde Kreuzen von Fußgängern auf Höhe des Wohn- und Geschäftshauses Qbus beenden. Foto: Roberto Bulgrin

Die Diskussion um die Berliner Straße in Esslingen nimmt weiter Fahrt auf. Wild kreuzende Fußgänger hatten zur Installation einer dritten Ampel geführt. Sie steht nun auf dem Prüfstand – wie überhaupt die Nutzung des Verkehrsknotenpunkts durch Autos.

Ampel-Dschungel an der Berliner Straße in Esslingen: Auf Höhe des Wohn- und Geschäftszentrums Qbus in unmittelbarer Bahnhofsnähe am Rand der Altstadt wurde im Herbst 2023 eine dritte Lichtsignalanlage für Passanten installiert. Die Stadt Esslingen wollte damit das wilde Queren der Straße durch Fußgänger eindämmen. Hat sich diese Maßnahme an dem Verkehrsknotenpunkt bewährt? Die Verwaltung meint „Ja“. Doch Fußgänger und Verbände üben harsche Kritik. Sie sagen generell: „Die Autos müssen weg aus der Berliner Straße.“

Eine dritte Ampel – nein danke, meint Jörg Exner. Der Vorsitzende der Esslinger Ortsgruppe des Verbands Fuss, der Interessenvertretung von Fußgängern, sagt: „Die neue Ampel an der Berliner Straße ist die falsche Lösung für das falsche Problem.“ Er fordert: Die Stadtverwaltung solle „an ihrem ursprünglichen Vorhaben festhalten und den Pkw-Verkehr künftig über die Mettinger Straße führen“.

Der Bahnhof gleich neben der Berliner Straße in Esslingen gilt als sozialer Brennpunkt. Foto: Roberto /Bulgrin

Denn die dritte Ampel an der Berliner Straße hat nach Ansicht des Vorsitzenden des Verbandes, der sich für die Verbesserung und Förderung des Fußverkehrs einsetzt, negative Auswirkungen: Das hohe Kfz-Aufkommen führe regelmäßig zu stockendem Verkehr und zu Rückstaus mit Nachteilen auch für den Busverkehr. Lange Wartezeiten, selbst an den umliegenden Ampeln, seien eine weitere unerwünschte Folge und mit ursächlich für die fehlende Nachfrage nach dem Fahrradparkhaus, das nur geringe Auslastungszahlen aufweise. Für Fahrradfahrende sei die Berliner Straße überhaupt zu gefährlich und unattraktiv, sagt Jörg Exner. Der Radverkehr zum Bahnhof werde deswegen in die Bahnhofstraße verdrängt, was Konflikte mit dem Fußverkehr dort nach sich ziehe.

„Herausgeschmissenes Geld“ für die Berliner Straße in Esslingen?

Die Stadt Esslingen hatte mit ihren Investitionen in die Berliner Straße auch die Aufenthaltsqualität in diesem Bereich steigern wollen. Das Geld, die Ausgaben in Millionenhöhe, hätte sie sich sparen können, ist die Ansicht von Jörg Exner. Seiner Meinung nach sei mit den Maßnahmen eher das Gegenteil erreicht worden. Die Berliner Straße habe eine starke Trennwirkung für den Fuß- und Radverkehr und schneide das Qbus, die dortige Mobilitätsstation und die Weststadt von der Innenstadt und dem Bahnhof ab: „Die einmal geplante Außengastronomie am Qbus wird es unter den gegebenen Umständen nicht geben, niemand würde sich freiwillig dort hinsetzen.“ Nur durch die Entlastung der Berliner Straße vom Durchgangsverkehr könnten die geschilderten Probleme zumindest erheblich abgemildert werden, sagt Jörg Exner.

Der Esslinger Kreisverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), der sich auch eine klimaschonende Mobilität auf die Fahnen geschrieben hat, gibt ihm recht. Für die angestrebte höhere Aufenthaltsqualität im Bereich der Berliner Straße, so teilt die Vorsitzende Petra Schulz mit, „muss der Kfz-Durchgangsverkehr raus, um insgesamt den Kfz-Verkehr zu reduzieren. So war der Anschnitt auch ursprünglich mal geplant.“ Dann brauche es auch keine Ampeln mehr.

Die Installation der dritten Lichtsignalanlage an der Berliner Straße wird von Petra Schulz aber „als guter Zwischenschritt“ angesehen. Grundsätzlich sei es erst einmal ein Erfolg, dass so viele Menschen an dieser Stelle zu Fuß und mit dem Rad unterwegs seien. Es sei sehr wichtig, ihnen das Gefühl zu geben: „Du bist willkommen, wenn du zu Fuß unterwegs bist, und wir machen es dir sicher, angenehm und zeiteffizient.“ Davon profitiere Esslingen auf mehreren Ebenen. Attraktive Bedingungen für die Umwelt sorgten etwa für geringere Kosten für die Infrastruktur oder durch Unfälle.

Mitentscheidend für solche Entwicklungen seien auch kurze Wartezeiten an der Ampel, damit das Gehen und Fahrradfahren an dieser wichtigen Verbindung funktioniere. Aktuell sei die Dauer der dortigen Rotphasen „ein einigermaßen tragbarer Kompromiss“. Die Wartezeiten für den Fußverkehr sollten allerdings nicht länger als 30 Sekunden sein, erklärt die Esslinger VCD-Vorsitzende: „Da sind wir aktuell noch nicht ganz.“ Denn aus der Unfallforschung wisse man, dass längere Wartezeiten das Unfallrisiko erhöhten, weil viele Passanten dann bei Rot queren. Immer noch höre man auch, so Petra Schulz, dass die Abmeldung der Busse nicht immer zuverlässig klappe. Dadurch könne es auch vereinzelt zu langen Wartezeiten kommen.

Esslinger Bürgermeister teilt Kritik an Berliner Straße nicht

Die Stadt Esslingen kann die Kritik nicht teilen. Der Baubürgermeister Hans-Georg Sigel sieht die Maßnahme als Erfolg an: „Nach unserer Einschätzung hat sich die Situation seit der Inbetriebnahme der dauerhaften Ampelanlage erheblich verbessert.“ Die Ampeln seien nun optimal aufeinander abgestimmt: „Sie berücksichtigen einerseits die Priorisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und gewähren gleichzeitig dem Fußgänger- sowie dem Pkw-Verkehr angemessene Grünphasen, ohne längere Wartezeiten zu verursachen.“ Dies führe dazu, dass deutlich weniger Personen trotz roter Ampeln die Straße überquerten.

Brennpunkt Berliner Straße

Verkehrsführung
An der Berliner Straße war eine Autofahrspur weggefallen. Auf den so frei gewordenen Flächen wollte die Stadt Esslingen Platz für eine Außenbewirtschaftung, Grünareale und einen barrierefreien Fußverkehr vor dem Qbus schaffen. Für Kosten in Höhe von etwa 1,4 Millionen Euro wollte die Verwaltung den öffentlichen Raum durch diese Maßnahme aufwerten und die Aufenthaltsqualität verbessern. Zudem sollte das Zusammenspiel zwischen der Innenstadt und der Neuen Weststadt gestärkt werden.

Ampel
Im Herbst 2023 war nach Angaben der Stadtverwaltung an der Berliner Straße in Esslingen zunächst eine temporäre Ampelanlage installiert worden, „um Fußgängern auf Höhe der Eingänge des Rewe-Markts im Qbus und des Einkaufszentrums ES ein zusätzliches sicheres Queren der Berliner Straße ermöglichen“. Es war die dritte Lichtsignalanlage auf der Höhe des Qbus. Im September war das Provisorium durch eine dauerhafte Einrichtung ersetzt worden, teilt Baubürgermeister Hans-Georg Sigel mit.

Fußgänger
„Wild kreuzende Fußgänger“ waren nach Ansicht von Jörg Exner von der Initiative Fuss nie das Problem: „Wer die Berliner Straße zwischen ES und Qbus frei überquerte, verhielt sich vollkommen regelkonform. Die umliegenden Ampeln befinden sich nach aktueller Rechtsprechung nicht in zumutbarer Entfernung und mussten nicht benutzt werden.“ Mehr noch: Das freie Queren sei hier ausdrücklich erwünscht. Unter anderem dafür habe die Stadt den Bereich vor dem Qbus für mehr als eine Million Euro aufwendig umgebaut.