Der historische Bebenhäuser Pfleghof mit seiner besonderen Atmosphäre ist vielen Esslingern ans Herz gewachsen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die Esslinger werden am 10. Februar über den künftigen Standort ihrer Stadtbücherei befinden. Nun machte der Gemeinderat endgültig den Weg für einen Bürgerentscheid frei. Hitzige Diskussionen waren dem Ratsbeschluss vorausgegangen.

EsslingenNun ist es amtlich – die Esslinger Bürger werden am 10. Februar entscheiden, wo sie ihre Stadtbücherei in Zukunft lieber sehen wollen: In einem Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse, wie ihn der Gemeinderat im Juni mehrheitlich beschlossen hat. Oder doch am angestammten Standort im Bebenhäuser Pfleghof, der modernisiert und um das Nachbargebäude Heugasse 11 erweitert werden würde. Für diese Variante macht sich eine Initiative stark, die 11 187 Unterschriften für einen Bürgerentscheid zum Verbleib der Bücherei im Pfleghof gesammelt hatte. Nachdem der Gemeinderat die Rechtmäßigkeit des Bürgerentscheids am Montagnachmittag offiziell festgestellt hat, war nur noch der Termin festzulegen. Und auch das war für die Ratsmehrheit eine klare Sache: Die Bürger haben am 10. Februar das Wort. Der Gedanke, den Bürgerentscheid mit der Kommunal- und Europawahl am 26. Mai zu verbinden, fand bei den allermeisten Ratsmitgliedern keine Gegenliebe. Und auch der Vorstoß der SPD, angesichts der ungewöhnlich großen Zahl an Unterschriften neu im Gemeinderat abzustimmen und das Anliegen des Bürgerbegehrens aufzugreifen, was die Gemeindeordnung ausdrücklich zulässt, fand keine Gegenliebe. Stattdessen wurden die hitzigen Debatten der vergangenen Wochen im Bürgersaal munter fortgesetzt.

Nach Prüfung aller Aspekte stand für die Stadtverwaltung fest, dass es an der Rechtmäßigkeit des Bürgerbegehrens nichts zu deuteln gibt: Die erforderliche Anzahl von 4876 Unterschriften wurde mit 11 187 gültigen Signaturen weit übertroffen, die Abgabefrist von drei Monaten nach der Ratsentscheidung zum Büchereistandort wurde eingehalten, auch sonst wurden laut Ordnungsamts-Chef Gerhard Gorzellik alle Voraussetzungen klar erfüllt. Zwei Termine brachte die Stadtverwaltung für den Bürgerentscheid ins Gespräch: entweder den 10. Februar oder den 26. Mai, wobei man im Rathaus keine klare Vorliebe erkennen ließ. Die Kosten für eine separate Abstimmung im Februar taxiert die Stadt auf rund 85 000 Euro, dagegen hätte eine Bündelung mit der Kommunal- und Europawahl nur etwa 30 000 Euro gekostet, weil dann keine separate Infrastruktur für den Bürgerentscheid nötig gewesen wäre. Während SPD, Linke und FÜR klar für den Mai-Termin votierten, ließen CDU, Freie Wähler, Grüne und FDP von Anfang an erkennen, dass für sie nur der Februar-Termin in Frage kommt. Anfang Januar wird jeder Haushalt in Esslingen eine Infobroschüre erhalten, in der Gemeinderat und Verwaltung einerseits und die Initiative andererseits ihre Positionen darlegen können.

SPD-Fraktions-Chef Andreas Koch warb nochmals für eine Bücherei, die im erweiterten und modernisierten Bebenhäuser Pfleghof „eine einmalige Chance“ bekommen würde. Weil 11 187 Unterschriften ein starkes Signal der Bürger für den Pfleghof seien, empfahl er, dass der Gemeinderat seinen Neubaubeschluss revidiert und so den aufwendigen Bürgerentscheid überflüssig macht. Und wenn doch die Bürger entscheiden sollen, sei die SPD für den 26. Mai, weil eine Bündelung mit dem Wahltag Geld spare und eine noch höhere Beteiligung verspreche.

Das sah die politische Konkurrenz anders: Edward-Errol Jaffke (CDU) blieb wie seine Fraktion bei der Entscheidung für den Neubau, weil der eine Bücherei verspreche, die den Anforderungen der nächsten 50 Jahre genüge. Die Zahl der Unterschriften sei eindrucksvoll – mehr als 80 Prozent der Bürger hätten sich aber noch nicht geäußert. Deshalb sei ein Bürgerentscheid nötig. Die CDU wolle den frühestmöglichen Termin, weil man im Interesse der Bücherei keine Zeit mehr verlieren dürfe. Annette Silberhorn-Hemminger (Freie Wähler) hat als Pfleghof-Befürworterin beim Bürgerbegehren unterschrieben – nun sei es die logische Konsequenz, dass die Bürger zu Wort kommen: „Dieses Recht werden wir ihnen nicht nehmen.“ Und Carmen Tittel (Grüne), deren Fraktion die Küferstraße ins Gespräch gebracht hatte, zollte der Initiative Respekt – nun müsse die Stadt „dem Wunsch aller Bürger gerecht werden, selbst entscheiden zu dürfen“. 11 187 Unterschriften seien beachtlich, „aber sie reichen nicht, damit wir jetzt das Ruder herumreißen“. Sie sei gegen den späteren Termin, weil dann die Bücherei-Entscheidung die ganze Kommunalwahl überlagere.

So klar die Fronten in der Terminfrage waren, so hitzig wurde in der Ratssitzung über Stilfragen diskutiert. CDU, Freie Wähler, Grüne und FDP hatten vor Wochen in ungewöhnlich scharfem Ton die SPD für ihren Dringlichkeitsantrag kritisiert, mit dem die Sozialdemokraten eine Korrektur des Neubau-Beschlusses erreichen wollten. Von „perfidem Verhalten“ war da die Rede und von „undemokratischem Vorgehen“, weil die SPD toleriere, dass sich mit Wolfgang Drexler einer ihrer Stadträte an die Spitze der Initiative gestellt hatte. Während Andreas Koch die herbe Kritik mit aller Konsequenz zurückwies, forderte Annette Silberhorn-Hemminger Drexler auf, als Vertrauensperson der Initiative wegen Befangenheit an der Abstimmung nicht teilzunehmen. Doch das sah OB Jürgen Zieger anders: „Die Rechtslage ist klar – eine Befangenheit liegt in diesem Fall nicht vor. Jeder hat ein Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eine eigene Rechtsauffassung.“

Es kommentiert: Adi Maier