Anwohner der Berkheimer Straße hatten in Kürze mit einer Lärmschutzwand gerechnet. Doch das Land will nun noch einmal Alternativen prüfen.
Schon seit Jahren kämpfen die Bewohner der historischen Villen in der Berkheimer Straße für eine Lärmschutzwand zur B 10. Das Land hat dem Bau bereits zugestimmt. Doch anders als erwartet wird die Wand nicht in diesem Jahr errichtet. Wann und in welcher Form sie kommt, ist offenbar völlig unklar – zum Erstaunen und zum Unmut der Anwohner.
Die markanten Villen an der Berkheimer Straße sind mehr als hundert Jahre alt. Seit sie Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurden, hat der Verkehr kontinuierlich zugenommen. Inzwischen brausen täglich zehntausende Fahrzeuge auf der B 10 entlang und verursachen entsprechend viel Lärm. Weil sie das zunehmend störte, schlossen sich die Bewohner der Villen vor fast zehn Jahren zu einer Bürgerinitiative zusammen. Letztlich fand ihre Forderung nach einer Lärmschutzwand Gehör: Das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) signalisierte im Jahr 2018 Zustimmung.
Planung für Lärmschutzwand in Esslingen steht noch nicht
Seither hat sich jedoch wenig getan: Eine Lärmschutzwand zwischen der Berkheimer Straße und der B 10 gibt es immer noch nicht. Selbst die Planungen dafür sind offenbar noch nicht abgeschlossen – zum Erstaunen der Anwohner. Denn Anfang 2024 hatte das RP in einer Informationsveranstaltung Pläne für eine Lärmschutzwand mit Betonsockel und transparentem Aufsatz präsentiert. „Es hieß, die Finanzierung sei gesichert und die Lärmschutzwand würde in der zweiten Jahreshälfte 2025 gebaut“, berichtet Conrad Marggraf, dessen Architekturbüro sich in einer der Villen in der Berkheimer Straße befindet. Passiert sei jedoch nichts.
Immer wieder habe er beim RP nach dem Stand der Dinge in Sachen Lärmschutzwand gefragt, sagt Marggraf: „Es hieß immer, es sei alles wie besprochen.“ Vor einigen Wochen habe er dann ein Schreiben erhalten mit der Information, dass es Probleme mit der Statik gebe. Marggraf kann es kaum fassen: „Architekten haben bei der Planung eigentlich immer von Anfang an Statiker dabei.“ Die neue Information heiße für ihn: „Ich glaube, die haben noch gar nicht geplant.“
Tatsächlich teilt das Regierungspräsidium mit, dass man den Anwohnerinnen und Anwohnern der Berkheimer Straße Anfang 2024 eine Fotosimulation präsentiert habe, um ihnen das vorgesehene System der Lärmschutzwand zu zeigen. „Konkrete technische Pläne oder statische Berechnungen lagen zu diesem Zeitpunkt nicht vor“, so der Pressesprecher Korbinian Ruff. Man habe damals mitgeteilt, dass sich das Vorhaben noch am Anfang befinde und man erst im nächsten Schritt in die weitere Planung einsteige.
Im Zuge der Planung habe sich jedoch gezeigt, dass die vorgesehene Lärmschutzwand nicht wie ursprünglich angedacht frei aufgestellt werden könne. Wegen hoher Windlasten müsse das Bauwerk mit Fundamenten gegründet werden – das sei aufgrund von Entwässerungseinrichtungen dort jedoch schwierig. Man habe die Bürgerinitiative darüber informiert, dass die Lärmschutzwand nicht bis Ende 2025 errichtet werden könne. „Es werden noch weitere Alternativen untersucht“, teilt Ruff mit. Man gehe davon aus, dass die Ergebnisse bis Ende diesen Jahres vorliegen.
Klar sei, dass auf Grund der sehr beengten Platzverhältnisse zwischen der Bundesstraße und der Berkheimer Straße der Bau einer Lärmschutzwand nur zwischen der Hauptfahrbahn und dem Einfädelstreifen auf die B 10 möglich sei. Die bislang vorgesehene Lärmschutzwand habe eine Länge von etwa 230 Metern und eine Höhe von sechs Metern. Sie bestehe aus einer 1,50 Meter hohen Betonleitwand, auf die 4,50 Meter hohe und möglichst transparente Lärmschutzelemente aufgesetzt werden sollten. Dafür waren Kosten in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro veranschlagt.
Ob die Lärmschutzwand in der vorgesehenen Form kommen kann, ist nun unklar. Wichtig ist für Conrad Marggraf und seine Mitstreiter aber vor allem, dass sie überhaupt kommt. „Ein Denkmal ist immer nur dann zu erhalten, wenn man es vernünftig nutzen kann“, gibt Marggraf zu bedenken. Ohne Lärmschutz werde das bei den Villen schwierig.
Das bestätigen Brigitte und Reiner Kamm, die in der Villa neben Marggrafs Architekturbüro wohnen. „Unsere Kinder würden das Haus eigentlich gerne übernehmen, aber sie zögern wegen des Lärms noch“, sagt Reiner Kamm, der selbst in dem Haus aufgewachsen ist und sich an Zeiten mit erheblich weniger Verkehr erinnert. Heute sei lüften schwierig, weil es dann viel zu laut sei im Haus – „selbst nachts können wir kein Fenster öffnen“, erzählt Brigitte Kamm. Und letztlich sinke ohne Lärmschutz auch der Wert der Häuser, gibt Marggraf zu bedenken. Deshalb hoffen sie inständig, dass die Lärmschutzwand bald kommt.
Historische Villen unter Denkmalschutz
Bewertung
Die Gebäude in der Berkheimer Straße 32 bis 52 sind laut Landesdenkmalamt Kulturdenkmale und stehen damit unter Denkmalschutz. Die Villenkolonie wurde zu Beginn des 20. Jahrhundert vom bekannten und renommierten Architekten Albert Benz für Esslinger Bürger und Kaufleute in späthistoristischen Formen mit Anklängen an verschiedene historische Stilformen erbaut. Sie belegen laut Landesdenkmalamt die gestalterische Vielfalt der Wohnbaukunst im frühen 20. Jahrhundert und dokumentieren die Variationsfähigkeit und die künstlerische Bedeutung des Architekten Benz.
Beratung
Laut Landesdenkmalamt ist aus denkmalfachlicher Sicht die unbestritten notwendige Lärmschutzwand vor den Kulturdenkmalen vorstellbar, auch wenn dadurch die Blickbeziehungen zu den markant – aber eben auch leider lärmexponiert stehenden – Villen beeinträchtigt werde. Man sei in den Planungsprozess einbezogen worden und habe Hinweise auf die Dimensionierung und Gestaltung der Lärmschutzwand gegeben, heißt es vom Landesdenkmalamt.