Bis zu sechs Wochen sollen Ehrenamtliche die Entlassenen begleiten: Arztbesuche organisieren, Rezepte abholen oder auch mal einen Spaziergang mit dem Patienten unternehmen. Dann sollen aber andere Hilfsstrukturen greifen. Foto: imago stock&people

Immer mehr Patienten sind nach der Entlassung aus der Klinik auf sich allein gestellt – gerade bei Älteren ist das zunehmend ein Problem. Der Klinikverbund Südwest und der Kreisseniorenrat Böblingen haben deshalb ein neues Projekt für Patienten ohne Angehörige aufgelegt.

Noch vor 30 Jahren lagen Patienten nach einer großen Operation zwei bis drei Wochen im Krankenhaus. Erst wenn sie fit waren, wurden sie entlassen. Heute beträgt die durchschnittliche Verweildauer in den Kliniken nur noch wenige Tage. Zumeist sind die Wunden noch nicht richtig verheilt, und die Patienten benötigen Unterstützung im Alltag, wenn nicht gar Pflege. Wohl dem, der Angehörige hat, die sich darum kümmern.

Doch die Zahl von Menschen ohne versorgende Familie wird immer größer. „Viele, vor allem ältere Patienten haben Angst vor der Entlassung aus dem Krankenhaus“, weiß Manfred Koebler. Der frühere Chef des Kreisseniorenrats hat deshalb gemeinsam mit dem Klinikverbund Südwest das Projekt Übergangsbegleitung ins Leben gerufen.

Schnittstelle zwischen Klinik und Zuhause

„Ziel ist es, Patienten an der so existenziellen Schnittstelle zwischen dem Ende eines stationären Klinikaufenthaltes, einer anstehenden Rehamaßnahme oder bestenfalls bei der Rückkehr in ihr eigenes häusliches Umfeld zu unterstützen – die Übergangsbegleitung und die klinikeigene Sozialberatung arbeiten hier Hand in Hand ergänzend, nicht ersetzend“, betont Gerald Tomenendal, der Regionaldirektor des Klinikums Sindelfingen-Böblingen.

Ehrenamtliche sollen dabei Angehörige ersetzen. „Wir arbeiten nach dem Vier-Augen-Prinzip. Jeweils zwei Freiwillige pro Patient werden eingesetzt“, erklärt Manfred Koebler das Konzept. „Die Ehrenamtlichen besuchen den Patienten ein bis zwei Tage vor dessen Entlassung auf der Station und begleiten ihn dann die ersten Tage zu Hause.“ Dabei übernehmen die Übergangsbegleiter all die Aufgaben, die sonst Angehörige erledigen: Sie kontaktieren den Hausarzt, beauftragen im Bedarfsfall einen Pflegedienst oder organisieren einen Platz für eine Kurzzeitpflege. Sind die Patienten zu Hause, werden sie täglich besucht. „Die Ehrenamtlichen schauen beispielsweise, ob eine Haushaltshilfe benötigt wird, bestellen Essen auf Rädern und holen auch mal ein Rezept aus der Apotheke. Vielleicht machen sie auch mal einen Spaziergang mit dem Entlassenen“, sagt Koebler. Maximal sechs Wochen dauert die Begleitung, dann müssen andere Hilfsstrukturen greifen.

Umfangreiche Schulung für die Ehrenamtlichen

Aktuell werden interessierte Ehrenamtliche geschult. An den bisher sieben Schulungsterminen haben laut Manfred Koebler jeweils zwischen zwölf und 80 Personen teilgenommen. Fünf weitere Schulungstermine stehen noch aus. Die Ehrenamtlichen erhalten Informationen über Pflegedienste, medizinische Hilfsmittel, und sie erfahren, wo sie welche Hilfen für ihre Schützlinge beantragen können. Auch eine Auffrischung der Erste-Hilfe-Kenntnisse und eine Schulung im Umgang mit einem Defibrillator stehen auf dem Schulungsprogramm. Während eines Einsatzes können sich die Begleiter bei Fragen an eine Hotline wenden, die der Kreisseniorenrat einrichtet.

Spätestens im Januar sollen die ersten Ehrenamtlichen zum Einsatz kommen. Angefangen wird in der Sindelfinger Klinik. Dann soll das Projekt auf die Häuser in Böblingen, Herrenberg und Leonberg ausgeweitet werden. Aktuell hat Manfred Koebler 35 Interessierte auf der Liste. „Von denen könnte die Hälfte sofort loslegen“, sagt er.

Gute Erfahrungen haben die Krankenhäuser des Klinikverbunds Südwest bereits mit dem Einsatz von Ehrenamtlichen gemacht. Seit fünf Jahren gibt es das Projekt Patientenbegleiter. Auch dieses wurde damals vom Klinikverbund und dem Kreisseniorenrat gemeinsam initiiert. Seither besuchen geschulte Ehrenamtliche Patienten, die keine Angehörigen haben, in der Klinik, sprechen mit ihnen über ihre Sorgen und Ängste. Das Erfolg dieses Engagements: „Keiner unserer Risikopatienten hat ein Delir erlitten“, hatte Axel Prokop, der Chefarzt der Sindelfinger Unfallchirurgie, vor drei Jahren berichtet. Ein Delir ist eine gefürchtete Komplikation vor allem bei sehr alten Patienten nach einer Narkose. Die Menschen sind völlig verwirrt und kommen oft nie mehr richtig auf die Beine. Das Delir kann lebensbedrohlich werden.

Neue Kurse ab Januar

Mittlerweile sind mehr als 11 000 Menschen in den Kliniken in Böblingen, Sindelfingen, Herrenberg und Leonberg von den ehrenamtlichen Patientenbegleitern besucht wurden. Das Projekt läuft weiter und soll nun um die Übergangsbegleitung im Anschluss an die Krankenhausentlassung ergänzt werden.

Weitere Ehrenamtliche sind willkommen. Diese können die verbleibenden Schulungstermine besuchen oder aber einen neuen Kurs absolvieren, der im Januar beginnen soll.

Teilnahme
Die Schulungstermine stehen allen Interessenten offen. Weitere Informationen gibt es bei Manfred Koebler, Kontakt per Mail: manfred.koebler@googlemail.com.