Herta Müller Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Nobelpreisträgerin Herta Müller eröffnet am 7. November die LesART in Esslingen. In ihrem Buch „Im Heimweh ist ein blauer Saal“ spielt die Berliner Künstlerin, die in Rumänien geboren und aufgewachsen ist, mit Sprache und Form.

EsslingenDas Spiel mit dem Wort reizt die Nobelpreisträgerin Herta Müller. Sie eröffnet die LesART am Donnerstag, 7. November, mit der Lesung aus ihrem Buch „Im Heimweh ist ein blauer Saal“ (Hanser-Verlag, 22 Euro). Ihr Werk ist eine Collage. Aus Zeitschriften ausgeschnittene Wörter verblüffen das Publikum der Autorin, die sich mit Folgen der Diktatur in Rumänien beschäftigt. Seit 1987 lebt die Banater Schwäbin in Berlin.

„Das Echo im Kopf“ lautet der Titel der Einführung, die Müller vor ihr grandioses Spiel mit Sprache, Wort und Sinn gestellt hat. Die Bedeutung des Textes erschließen sich die Betrachter selbst. Dass die Texte der 1953 in Nitzkydorf in der Volksrepublik Rumänien geborenen Autorin nicht ohne politischen Hintergrund denkbar sind, macht sie da aber dennoch deutlich: „Die ganze Kleberei hat womöglich mit meiner früheren Zeit in Rumänien zu tun. Dass es unzählige bunte Zeitschriften gibt, so gutes Papier, so viele Texte, die nur flüchtig gelesen und schon weggeschmissen werden – das alles kannte ich aus Rumänien nicht. Es gab nur graue, nach Schmieröl stinkende Staatszeitungen, sonst nichts. Schon vom Umblättern kriegte man stinkende Finger.“

Das Dichten mit Schere und Papier liegt Müller, die in ihrem neuen Werk auch ihre leichte, spielerische Seite auslebt. Sie hamstert Wörter, saugt gierig deren Bedeutungen auf. Dennoch tritt auch da zwischen den Zeilen die dunkle Seite der Schriftstellerin zu Tage, die im rumänischen Temeswar Germanistik und Rumänistik studiert hat: „Vielleicht haben auch Wörter ein schimmerndes Gemüt und betreiben Amtsmissbrauch – ohne dass man sich Mühe gibt.“ Wie Sprache in der rumänischen Diktatur missbraucht und instrumentalisiert wurde, hallt in dem ungewöhnlichen Text nach. Es ist ein Spiel mit dem schmerzhaften Sinn der Sprache, das Herta Müller in ihrem neuen Werk wagt. So arbeitet sie auch ihre Vergangenheit auf. Der Vater war Nazi, die Mutter war in einem russischen Zwangsarbeiterlager in der Ukraine interniert.

2009 war Herta Müller schon einmal bei der LesART in Esslingen zu Gast. Kurz zuvor war damals verkündet worden, dass sie den Nobelpreis für Literatur erhält. Zur Jubiläumsauflage des Festivals ist die Starautorin nun wieder in der einstigen Reichsstadt zu Gast.