Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin spricht in Schwaikheim über Bücherverbrennungen und Fake News. Dabei warnt sie unter anderem auch vor Machtpolitik.
Vor etwas mehr als 90 Jahren, am 10. Mai 1933, warfen in Berlin und in 20 anderen deutschen Universitätsstädten Studierende Bücher vieler jüdischer, sozialistischer und liberaler Autorinnen und Autoren ins Feuer, um „undeutsches Schrifttum“ auszumerzen. Unter der flockigen Überschrift „90 Jahre Bücherverbrennung – alles Geschichte oder was?“ hat Herta Däubler-Gmelin, von 1998 bis 2002 Justizministerin der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder, am Sonntag in Schwaikheim ernste Themen angesprochen. Auf Einladung der Bürgerstiftung hat sie mit Bürgermeisterin Astrid Loft und mehr als 50 interessierten Zuhörern im Rathaussaal über vergangene und aktuelle Gefahren für die Demokratie gesprochen.
Eine Bedrohung für die Demokratie
Heinrich Heines Satz „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“ gelte auch heute noch, sagte Herta Däubler-Gmelin. „Dieser Satz steht seit jener Zeit schaurig in unserer Welt.“ Und der Geist, der hinter den Bücherverbrennungen stecke, bedrohe auch heute noch die Demokratie, sagte die 79-Jährige, die von 1972 bis 2009 für den Wahlkreis Tübingen Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion war. „Immer noch verbrennen und verbieten Menschen Bücher.“ Und immer stecke die gleiche Intention dahinter, so Herta Däubler-Gmelin. „Es geht um Machtpolitik, um die totale Kontrolle aller Bereiche, darum zu zeigen, wer das Sagen hat, und klarzustellen, wer dazugehört und wer nicht.“
Der Unterschied zu damals sei, dass es in Deutschland heute Grundrechte gebe, die Macht begrenzen und Gewalten teilen, erklärte Däubler-Gmelin. „Sie können heute lesen, was Sie wollen, es gibt keine Verbote seitens des Staates, und wenn doch, kann man sich vor Gericht dagegen wehren.“ Tendenzen des absolutistischen Meinungsimperativs sieht sie fast ein Jahrhundert nach den Bücherverbrennungen der Nazis aber immer noch, etwa im US-Bundesstaat Utah, wo „amerikanische Irre meinen, man kann Bücher verbieten“, angeblich um Kinder zu schützen, bei „anderen Irren, die den Koran verbrennen“, aber auch bei den deutschen „Reichsbürgern“ . Die Verleumdungs- und Vernichtungsmöglichkeiten in den sogenannten sozialen Medien beobachtet die ehemalige Honorarprofessorin – mit einem Lehrauftrag unter anderem an der Freien Universität Berlin – ebenfalls mit Argwohn. Im Dritten Reich hätten viele sich eingerichtet und die Nationalsozialisten machen lassen. Das sei heute wieder ähnlich. Auch jetzt hätten sich wieder viele Menschen „in ihren Blasen eingerichtet“, sagte Herta Däubler-Gmelin. Das gelte vor allem auch, wenn es darum gehe, sich Wissen anzueignen, denn sie informierten sich meist nur innerhalb dieser „Bubble“ aus den immer gleichen Quellen. Auf dieses Weise sei es schwierig, Fake News und Wahrheit zu unterscheiden, und das könne in einer Demokratie tödlich sein. „Störungen der Informations- und Meinungsfreiheit unterhöhlen und untergraben Demokratie und Grundrechte.“
Die Grundrechte allein in der Verfassung stehen zu haben sei zudem zu wenig, appellierte Herta Däubler-Gmelin. „Sie müssen auch gelebt werden, sonst verändert sich unsere Demokratie schleichend.“ Weil es gelte, genau hinzuschauen, komme dem verantwortlichen Journalismus eine immer größere Bedeutung zu, findet sie. Und auch dem Satz von Herbert Wehner, dem großen alten Mann der SPD, der mit Blick auf die Vergangenheit erklärt hatte, dass „nicht nur Gedenken, sondern auch Gedanken gefragt sind“.